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Die Aktualität der Kunst.
druck den Gedanken unseres De Sanctis wieder aufnehmen, daß
der Inhalt sich in der künstlerischen Form aufhebt. Nicht eine
rätselhafte Synthese nach der Art der Kantschen Synthesis, die, will
man sie klären und vertiefen, den Dualismus der entgegengesetzten
Momente überwinden und zu der Einheit gelangen muß, die in ihrer
Bewegung die Gegensätze erzeugt. Und hier muß die Ästhetik
diesen Schritt ausführen: nicht passives Gefühl und aktive Intuition,
sondern jene Intuitivität oder geistige Unmittelbarkeit selbst, dialek¬
tisch beseelt und frei, die die reine Aktivität des Gefühls als solches
ist. Stumm und blind, soweit es unmittelbar ist; aber erleuchtet und
sprechend, soweit es im dialektischen Leben des Geistes lebendig ist.
2.
Das Gefühl als Einheit und Unendlichkeit
des Kunstwerks.
Das Gefühl kommt zum Ausdruck; aber sein aktueller Aus¬
druck ist nicht mehr Gefühl, sondern Gedanke. Geschichte? Philo¬
sophie? Gedanke, soweit er die Synthese von Subjekt und Objekt
oder das vollendete Leben des ersteren ist, das Bewußtsein von
sich erwirbt und daher Subjekt und Objekt zu einer Gesamtheit zu¬
sammenfügt wie zwei in eines. Diese Synthese ist Geschichte, so¬
weit der Gedanke, der Begriff, die Philosophie an den Boden des
Existierenden mittels des Gefühls gebunden bleiben. Mittels des
Ausdrucks, der Gedanke, Bestimmung des Subjekts als Objekt,
Entfremdung daher des Subjekts von sich selbst und also Ver¬
vielfältigung und Differenzierung seiner ursprünglichen Einheit ist,
entsteht die Unterscheidung der Welt, die in ihrer tiefen Sub¬
jektivität eine einzige ist. Eine Analyse, die stets mit der ent¬
sprechenden Synthese verbunden ist: Analyse, die Synthese ist.
Die Begriffsbestimmungen wachsen an Zahl, vervielfältigen sich;
immer aber als die vielen Bestimmungen des einzigen Bestimmten.
Und stets, wenn diese Einheit der Synthese zerrissen wird, verliert
sich der Gedanke in Schwierigkeiten; diese werden immer unter
der Bedingung überwunden, daß man die Einheit wiedererobert,
die unverkennbar auf dem Grunde des Mannigfaltigen durch¬
schimmert. Durch dieses Prisma der unendlichen Gesichte des
Gedankens wird das gleiche Gefühl, das ihn beseelt und lenkt, in
viele Farben gebrochen: es verkörpert sich als ein einziges Gefühl
im Gedanken, in dem es von seinem eigenen Wesen zu seiner
Verwirklichung berufen wird, es nimmt vielfältige und verschieden¬