Das Gefühl.
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Gedanken lebt, der dieses sein Leben im Ablauf seines Denkens
sich entfalten fühlt, der nie außer acht läßt, daß in jedem Gegen¬
stand, den er denkt, res sua agitur, gibt es nichts, dem er teilnahms¬
los gegenüber stände; alles vielmehr nimmt an der inneren Freude
Anteil, aus der heraus er die Finsternis des eigenen Nicht-Seins
besiegt und zum Licht dringt. Und zum Licht dringt er durch die
gleiche Kraft, die ihn sein ganzes Leben hindurch erhält.
10.
Vergleich mit dem Giobertianischen Begriff
des Existierenden.
Im Zusammenhang mit dieser Darstellung Rosminis scheint es
zweckmäßig, an eine Lehre von Vincenzo Gioberti zu erinnern.
Dieser konnte sich nicht davon überzeugen lassen, daß das Sein,
das Objekt der intellektuellen Anschauung ist, als rein möglich
oder ideal begriffen werden könne. Er bemerkte daß, wenn das
Sein, gemeinsames Prädikat für alle möglichen Gegenstände des
Gedankens und gewissermaßen ihr gemeinsamer intellektueller
Nenner, ideal ist, alle diese Objekte gleichermaßen ideal sein
müßten, und alles Wirkliche würde in einer rein abstrakten Möglich¬
keit verschwinden. Weshalb ist das vom menschlichen Verstände
erfaßte Sein ideal? Weil es nach Rosmini in einem Zusammenhang
erfaßt wurde, der dem Subjekt das Begreifen der Wirklichkeit des
universalen Seins nicht einräumt. Das intuitiv erfaßte paßte sich
daher der Natur des erfassenden Subjekts an, das von ihr nur die
Idee annahm. Gegen diesen Psychologismus, der nach Gioberti
zum Subjektivismus, zum Skeptizismus, zum Nihilismus führte, er¬
hob er heftigsten Widerspruch und setzte ihr seinen Ontologismus
entgegen, der nicht zwischen Idee der Wirklichkeit und Wirklichkeit
unterscheidet, und dem menschlichen Verstände kühn das unmittel¬
bare Erfassen der höchsten göttlichen Wirklichkeit zuschreibt; so
daß der menschliche Verstand, indem er die einzelnen Dinge kennt,
sie nicht mehr an einem einfachen idealen Sein teilhaben läßt,
sondern sie auf Gott zurückführt: nicht um sie mit ihm zu iden¬
tifizieren, sondern um in ihnen, die nunmehr begreiflich werden,
das schöpferische Handeln Gottes zu sehen. So sind alle Dinge
nicht einfach möglich, sondern wirklich: wirklich, weil Gott wirklich
ist, von dem sie abhängen, wie Wirkungen, die die aktuelle Kraft
ihrer Ursache beweisen. Ursache und Wirkungen, Schöpfer und