Das Gefühl.
135
Und das Gefühl? Auch das steht nicht da wie etwas, von dem
das Subjekt nur Notiz zu nehmen hätte. Wenn dem nun so wäre —
welch einen Unterschied könnte man zwischen Sinnesempfindung
und Gefühl feststellen? Das Gefühl wäre eine Sinnesempfindung
von Freude oder Schmerz; und könnte nicht umgekehrt der Anblick
der grünen Farbe reines Gefühl des Grünen genannt werden?
Weist das Gefühl auf einen Zusammenhang zwischen Erfahrung
und Subjekt hin? Aber wenn dieser Zusammenhang auch immer
vor dem Subjekt stände, so würde es von ihm wie von einer Tat¬
sache Kenntnis nehmen, die nicht eigentlich es, dieses Subjekt,
sondern jenes Subjekt angeht, das es in Verbindung mit der hinzu¬
kommenden Erfahrung wird: etwas Gemachtes, etwas, das wie
sein Bild aussieht, das sich ihm entfremdet hat.
Dasselbe Gefühl also muß in das Bewußtsein eindringen und
muß das Bewußtsein selbst sein, in dem das Sein sich für den
verwirklicht, der das Gefühl hat. Damit ich wahrhaft ein Gefühl
habe, mich freue, Schmerz empfinde, hoffe oder fürchte, darf ich
mich nicht als der, der ich bin, auf die Rolle des Zuschauers meiner
Freude, meines Schmerzes, meiner Furcht oder Hoffnung be¬
schränken, sondern ich muß dieses Gefühl in mir selbst haben, und
es muß den Inhalt des Lebens bilden, das ich lebe.
Um aber zu dieser wirklichen Innerlichkeit des Gefühls zu ge¬
langen, muß man die Grenzen der Psychologie überschreiten und
ihren Weg nach rückwärts einschlagen.
6.
Das Gefühl und seine Dialektik.
Vom Gefühl gelangt man nicht zum Subjekt, das es fühlt. Das
Gefühl ist nicht ein Ding, das von einer Hand in die andere über¬
gehen kann. Wohl aber kann man vom Subjekt, das Bewußtsein
und von allem Bewußtsein von sich ist, zum Gefühl wie zu jedem
anderen Begriff gelangen, der nicht leer an Inhalt ist und zum
inneren Leben gehört.
Was ist aber dann dieses Gefühl? Ein ich weiß nicht was, wie
einmal von einer bestimmten Art von Gefühl gesagt wurde: etwas,
was jeder empfindet und wovon niemand genau sagen kann, was es
sei. Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen: denn es ist
kein Gedanke, den man bestimmen oder in Urteilen und Vernunft¬
schlüssen formulieren, der sich in einer Anzahl von Worten ent¬
falten und in ihr Gestalt annehmen könnte. Es ist der logischen