Full text: Philosophie der Kunst

Das Gefühl. 
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Man wird ihn verbessern, aber nicht, wie andere geglaubt haben, 
zerstören können, da sie in ihm den Widerspruch fanden, als wäre 
ein Gefallen nur in Beziehung auf ein besonderes und begrenztes 
Subjekt möglich. Kant vermag sein „interesseloses Gefallen“ noch 
nicht zu rechtfertigen, weil er sich noch nicht von dem psycho¬ 
logischen oder empirischen Begriff des Gefallens und des Gefühls 
überhaupt zu dem erkenntnistheoretischen Begriff erhoben hat, der 
der genaue philosophische Begriff ist. Und er vermutet auch nicht, 
welcher Zusammenhang zwischen diesem allgemeinen und interesse¬ 
losen Gefallen und einem der Fundamentalbegriffe seiner „Kritik 
der reinen Vernunft“ besteht, worin vielleicht seine größte Ent¬ 
deckung liegt. 
5. 
Der psychologische Begriff des Gefühls 
und seine Kritik. 
Psychologisch betrachtet, ist das Gefühl ein Seelenzustand, der 
sich von der Sinnesempfindung dadurch unterscheidet, daß diese 
einen objektiven Inhalt hat, während das Gefühl einen subjektiven 
Inhalt besitzt, der durch den Zusammenhang einer Sinnesempfindung 
mit dem Subjekt, das sie wahrnimmt und dem sie angenehm oder 
schmerzlich ist, bestimmt wird. Die Psychologie stellt eine ähnliche 
Lehre auf; denn sie bewegt sich auf dem Felde der Erfahrung, die 
als direkte oder unmittelbare Beziehung des erkennenden Subjekts 
zu dem Objekt verstanden wird, das erkannt wird, aber auch nicht 
erkannt werden kann, und trotzdem auf jeden Fall dasselbe Objekt 
bleibt. Für den, der sich auf diesen Boden begibt, stellt sich das 
Gefühl als eine besondere Klasse von Bewußtseinstatsachen dar, 
die, wohl verstanden, ebenso wie jede andere Klasse von Tatsachen 
keine Notwendigkeit besitzt; sie sind, und sie sind das, was sie 
sind, weil die Tatsache der Erfahrung sie uns vorstellt, und sie 
stellt sie uns so vor, wie sie sie vorstellt. Und in ihrer Zufälligkeit 
haben sie keine Freiheit,11) d. h. sie entziehen sich der Initiative 
des Subjekts; sie sind ihm gegeben und daher auferlegt, und sie ge¬ 
hören mit ihrem Sein und mit ihrer Seinsweise einem Mechanismus 
an, dem gegenüber das Subjekt passiver Zuschauer ist. Die Sinnes¬ 
empfindung wird von dem Reiz oder allgemein vom Ding bestimmt; 
das Gefühl, ist das Subjekt gegeben, von der Sinnesempfindung. 
1:l) Über den Irrtum der „Philosophie de la contingence“, die die Frei¬ 
heit vom Zufall ableitete (keine Notwendigkeit im Objekt, die Notwendigkeit 
für das Subjekt ist), siehe die „Teoria generale dello spirito“, 4 pp. 147—153,
	        
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