Full text: Philosophie der Kunst

Die Form. 
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bald des Gedankens, sondern es gibt, genau gesprochen, absolut 
keine Vielfältigkeit, die der Gedanke aufsammeln und verknüpfen 
muß wie die Glieder eines Rosenkranzes. Es gibt den Anschein der 
Mannigfaltigkeit, einer, möchte ich sagen, rein phänomenologisdien 
Mannigfaltigkeit; solange sie aber im Anschein verharrt, „verflüch¬ 
tigt sich das Göttlichste“. Man betrachtet die Bücher, die eines neben 
das andere gestellt sind, aber man liest sie nicht; oder man liest 
sie mechanisch und versteht sie nicht. Denn wenn man sie liest und 
versteht, so kann man nach der Lektüre des „Roland“ auch 
„Uber die Unsterblichkeit“ lesen (wodurch wir besser in das Ver¬ 
ständnis des Dichtwerkes eindringen, wie jede Seite eines Buches 
auf alle vorangegangenen Seiten ihr Licht wirft). Aber dies „nach 
der Lektüre“ besagt eine Dualität, die nur verständlich ist, 
wenn man weder das Werk des Ariost noch das des Pomponazzi 
liest oder versteht. Und man wirft die Werke zusammen, weil sie 
alle beide außerhalb des Geistes sind — zwei Gegenstände, nicht 
zwei Momente des Geistes. Wirklich hat der Geist Pomponazzis die 
gleiche Luft des „Rasenden Roland“ geatmet und in sich aufgenom¬ 
men, und in Pomponazzi ist daher nicht Ariost und Pomponazzi, 
sondern Pomponazzi allein. So geschieht es dem, der sein Buch 
liest. Entweder Verzicht auf Aktualisierung im Geist oder Ver¬ 
wirklichung einer geistigen Einheit, außerhalb derer nichts Zurück¬ 
bleiben kann, dem sich ein geistiger Wert zuschreiben ließe. 
4. 
Unaktualität der reinen Kunst. 
Die aktuelle Einheit ist also Kunst, die Gedanke geworden ist. 
Die reine Kunst ist unaktuell, in ihrer Reinheit also nicht erfa߬ 
bar. Das bedeutet nicht, daß sie nicht existiert. Sondern es be¬ 
deutet nur, daß man, was sie ist, und wodurch sie eigentlich ist, 
von dem Rest des geistigen Aktes, in dem sie existiert und in dem 
sie ihre ganze existentielle Kraft erweist, nicht trennen kann. Lassen 
wir „de immortalitate animae“ beiseite, und halten wir uns an den 
„Rasenden Roland“, so haben wir ein vortreffliches Kunstwerk vor 
uns; denn in seinem Inneren sprudelt ein geheimer Quell, und er 
läßt uns die ganze lebenspendende Kraft fühlen, die aus der tief¬ 
sten Subjektivität des Dichters entspringt: seine Individualität, seine 
Seele, das, was er war und fühlte, als jene genau bestimmte Form 
des menschlichen Geistes, die dieser einzige Ariost war. Aber aus 
diesem Quell breitet das Wasser sich aus, wird gewaltiger, und 
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