Die Form.
103
jektivität wie reine Objektivität ist, und der diese unmittelbare
Gegenüberstellung in der Wirklichkeit des Selbst-Bewußtseins
versöhnt.
Kaum hat man das Dasein der Kunst gesehen oder flüchtig
wahrgenommen, so ist man im Besitz der begrifflichen Bestim¬
mung. Oder vielmehr: ganz allmählich, wie man sich dieser Be¬
stimmung näherte, erwarb man die Möglichkeit, das Dasein der
Kunst zu entdecken.
Aber unsere Definition gehört nicht zu denen, die, kaum aus¬
gesprochen, Zustimmung hervorrufen und den Geist befriedigt
lassen. Die größte Schwierigkeit, die sich ihr sofort entgegenstellt,
ist die, daß unter dieser Voraussetzung Kunst alles und daher
nichts ist. Denn die Definition definiert, soweit sie unterscheidet,
und solange alles Ununterschieden bleibt, hat man nichts definiert.
Wenn nämlich die Form des Ich als reine Subjektivität dem
vermittelten Gedanken immanent ist und einzig in diesem Ge¬
danken existiert, so kann man tatsächlich niemals von reiner
Subjektivität sprechen, und die Kunst wird sein, soweit sie nicht
ist; denn was man findet, wird immer der Gedanke sein, der die
Lösung der reinen Subjektivität in der Aktualität des Selbst-Be¬
wußtseins ist. Ein Kunstwerk, das Kunst-Werk und nicht Ge¬
danken-Werk ist, wird es niemals geben; denn mit der gleichen
Berechtigung irgendeines Kunstwerkes wird Kunst immer ein
irgendwie gestaltetes Gedankenwerk sein.
Eine auffallende Schwierigkeit, die aber, wenn man sie genau
betrachtet, tatsächlich nicht besteht. Mit einem Bilde, das natürlich
nur den Wert hat, den ein solches Bild im allgemeinen haben kann,
das aber unsern Begriff zu erhellen vermag, kann man sagen, daß
die Unterscheidung zwischen Kunst und Gedanken — wenn man
die vorgeschlagene Begriffsbestimmung annimmt — nicht verschwin¬
det; sie schneidet nur nicht mehr senkrecht die Ebene der geistigen
Wirklichkeit, sondern waagerecht. Waagerecht ist auch die Kantische
Unterscheidung zwischen Intuition und Begriff, von der nie jemand
behauptet hat, sie sei keine genaue und in die Wirklichkeit des
geistigen Lebens eindringende Unterscheidung. Wer kennt nicht
den berühmten Ausspruch Kants, Anschauungen ohne Begriffe seien
blind und Begriffe ohne Anschauungen seien leer? Und wer weiß
daher nicht, daß nach Kant in der Erfahrung nicht auf der einen
Seite Anschauungen und auf der andern Begriffe sind, sondern daß
alle Erfahrung synthesis a priori beider Momente ist, die uns im
Urteil verliehen ist? Und nachdem wir an Kant erinnert haben,