Indes, der Parallelismus läßt sich unmittelbar widerlegen, und
diese Widerlegung in besonders klarer Form geleistet zu haben bei
all der ihm eigenen „sparsamen“ Zurückhaltung und Vorsicht, ist
auch ein endgültiges Ergebnis der Drieschschen Lebensarbeit. Über
seinen Gedankengang ist vorne schon berichtet. Wir wollen die Aus¬
einandersetzung, an der seit der Jahrhundertwende unter anderen
auch F. Brentano, Stumpf, Busse, Becher, Wolff, Wenzl, Friedrichs
beteiligt waren und sind, in die also auch noch andere als die von
Driesch in den Vordergrund gestellten Erwängungen eingehen, in
eigener Gedankenführung geben. Der psychophysische Parallelis¬
mus fordert: 1. Wenn die und die materielle Konstellation auftritt,
dann tritt dies und dies Erleben auf und umgekehrt; 2. die materielle
Konstellation ergibt sich nach physikochemischen Gesehen je aus
der vorausgehenden. Folgerichtig muß man daher zur Annahme
eines universellen Parallelismus schreiten: jedem materiellen Ge¬
schehen muß eine seelische Seite entsprechen, denn warum sollte bei
einer bestimmten Komplikation der Anordnung gerade etwas so
grundsätzlich anderes und Neuartiges auf treten? Der ursprünglich
in Aussicht genommene Parallelismus in unserem Leben erwiese sich
also nur als ein spezieller Fall, ein partieller Parallelismus, wie man
ihn zu nennen pflegt. Damit geraten wir bei einer scheinbar mehr
positivistischen Theorie gleich in eine sehr problematische Metaphy¬
sik. Aber wie sollen denn sinnhaltige seelische Zusammenhänge und
Abläufe überhaupt sinnfreien resultantenhaft-physischen Vorgängen
parallel sein können? Oder, wie sollen grundsätzlich, wenn wir die
nichtmaterialistische, oben an dritter Stelle genannte Deutung neh¬
men, zwei Kausalreihen, von denen die eine autonom nach physiko¬
chemischen Gesehen, die andere nach ebenfalls selbständigen psycho¬
logischen z. B. Denk- und Motivationsgesetzen abläuft, einander ent¬
sprechen können und entsprechend bleiben können? Im Grund liegt
in den beiden Fragen schon die Antwort eingeschlossen und die Lö¬
sung der Schwierigkeit liegt eben darin, daß der Parallelismus gar
keine Erfahrung ist, sondern eine Annahme, von der sich heraus¬
stellt, daß sie sich nicht halten läßt. Das wollen wir in knapper Aus¬
führung uns nun auseinander- und darlegen. Der Parallelismus
scheitert grundsätzlich schon an dem unverkennbar evidenten Primat
bald des Physischen, bald des Psychischen, den wir von vorneherein
mit Nachdruck betonen wollen. Es besteht aber auch, vom Erleben
abgesehen, gedanklich gar keine Entsprechung, wie sie der Parallelis¬
mus meint. Es besteht nicht nur in Bezug auf das „Wie“ der Ent¬
sprechung keine Vorstellungsmöglichkeit, sondern es besteht über¬
haupt keine durchgängige Entsprechung und Entsprechungsmöglich¬
keit: Es besteht 1. keine gliedweise Entsprechung der Reihen; es
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