zugrundeliegen, wie sie andrerseits die Alltagserfahrung bestärkte
und erweiterte, daß die Aufnahme von Reiz- und Rauschstoffen
das Seelenleben aufs stärkste beeinflussen kann.
Die natürliche Deutung dieser Tatbestände drückt sich, wie gesagt,
in dem Worte Wechselwirkung aus. Die Wechselwirkungslehre ist
nicht eine erklügelte oder zur Rechtfertigung weltanschaulicher
Einstellung nachträglich erst ersonnene Theorie, sondern sie drängt
sich uns auf. Erst die Wissenschaftserfahrung von der durchgängi¬
gen Zugehörigkeit leiblicher Vorgänge, um die wir nicht unmittel¬
bar wissen, nämlich der nervösen Vorgänge im Gehirn, zu seelischen,
haben die dem monistischen Streben willkommene Lehre vom
Parallelismus ermöglicht und nahegelegt, und ähnlich wie im Me¬
chanismus hat sich das Verhältnis des empirischen und philosophisch¬
weltanschaulichen Argumentes bald umgekehrt: Wenn man am
Monismus, speziell am physikalischen Monismus festhalten wollte,
müßte man den Parallelismus fordern; denn wiewohl das Wort
eigentlich gerade auf einen Dualismus zu weisen scheint, soll sein
gedanklicher Sinn ein monistischer sein. Freilich gabeln sich dann
sofort die Deutungen jenachdem welche der „Parallelreihen“ mau
für die eigentlich reale und aktive hält: Entweder es ist die phy¬
sikochemische Abfolge der materiellen Geschehnisse die ausschlag¬
gebende Kausalreihe und das Erleben nur eine Begleiterscheinung,
ein Epiphänomen — Materialismus —, oder es ist das Erleben die
wahre Wirklichkeit und die leiblichen Vorgänge sind nur Schein
und Erscheinung; oder man sucht beide Reihen als gleichberech¬
tigt gelten und nach je ihrer Gesetzlichkeit ablaufen zu lassen, dann
kommt man zu einem Unbekannten als Träger10 und zu einer prä-
stabilierten Harmonie und einer „Fensterlosigkeit“ der substan¬
ziellen Träger mit allen ihren Schwierigkeiten. Man versuchte wohl
erkenntnistheoretisch durch einen radikalen Transzendentalidealis¬
mus etwa in der Form Robert Reiningers das Problem gegenstands¬
los zu machen — das Physische ist eben auch nur meine Vorstel¬
lung —, aber dann kommt man nicht nur zu allen oft erörterten
Schwierigkeiten den Argumenten und der Bewährung des Realismus
gegenüber, und zu einer Art Doppelgängertum seiner selbst, indem
man als Erkenntnistheoretiker dem Wirklichkeitserlebnis mißtraut,
das man als Mensch und Praktiker nichtsdestoweniger im Ernst
keinen Tag entbehren kann, sondern man findet, wenn man genau
zusieht, dieselbe Problematik, der man aus dem Wege ging, inner¬
halb des eigenen Systems an anderer Stelle und in „transformierter“
Form wieder.
10 Im Grunde freilich waren bei Leibniz schließlich alle Monaden psychoid,
wie auch in Fechners Zweiseitentheorie die „Innenseite“ die eigentlich reale ist.
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