aus der Anordnung der materiellen Teile des Organismus und den
physiko-chemischen Beziehungen zwischen ihnen grundsätzlich be¬
streitet. } ^ :•$
Der klassische Mechanismus behauptet also: gleiche Substanz,
gleiche Gesetze, Besonderheit der Anordnung. Der Vitalismus (oder
um jede terminologische Erörterung zunächst auszuschalten, der
Antimechanismus) behauptet, daß das Lebensgeschehen sich anders
vollzieht, als es sich vollziehen würde, wenn die Bestandteile der
leiblichen Substanz sich selbst und ihrer Eigengesetjlichkeit über¬
lassen wären. Und er bestreitet, daß es Ansichtssache sei, sich für
oder gegen den Mechanismus zu entscheiden. Vielmehr sei eine
„Maschine1 **4, welcher Art immer (also ein physiko-chemischesSystem),
nicht denkbar, die sich teilen lasse und deren Teile neue ganze
Maschinen werden, — die bei ständiger Substanzerneuerung sich
in Form erhält und in Gang hält, Energie verschafft, steuert und
nach Bedarf reguliert, ja im Falle von Defekten wiederherstellt, —
die neue Maschinen aus sich entstehen läßt, die ihr gleichen und sich
entwickeln, — die endlich ihre Aktionen nach ihren Bedürfnissen
einstellt und gegen unvorhergesehene Störungen nach Bedarf sich
umstellt. Eine „Maschinentheorie des Lebens“ also, wenn man dar¬
unter einen Automatismus im physikochemischen Sinn versteht3,
lehnt Driesch aus den an anderer Stelle schon dargelegten Gründen
ab: 1. Entwicklung zu einem ganzheitlichen Organismus auch bei
Teilung des Keims in einem frühen Entwicklungsstadium oder bei
Vereinigung mehrerer Keime oder bei erzwungener Umlagerung
der Furchungszellen; 2. Fortpflanzung und Vererbung, Regulation
und Restitution; 3. zweckmäßiges Verhalten auf Grund der Bedeu¬
tung und Lebensbedeutung einer Situation4. Begrifflich gesprochen
heißt das: was den Mechanismus ausschließt, ist 1. die Mehrdeutig¬
keit und Mehrmöglichkeit des biologischen Geschehens sowohl in
der Entwicklung wie im Verhalten des erwachsenen Organismus
gegenüber den Situationen, in die er gestellt ist, die Äquipotentiali-
tät also in der Entwicklung und die nichteindeutige Zuordnung von
Reiz und Reaktion in der Handlung (verschiedene Reize können
bei gleicher „Bedeutung“ zu demselben Effekt, ein Reiz zu verschie¬
denen Effekten von gleicher Bedeutung führen). Mit dieser Mehr¬
Wenn Driesch („Das Lebensproblem im Lichte der modernen Forschung“,
1930, S. 420) gerade umgekehrt den Ausdruck Maschinentheorie relativ passend
für den Vitalismus findet, dann darum, weil er hier betonen will, daß bei aller
Verschiedenheit von Maschine und Organismus, die er auch hier nicht verkannt
wissen will, beiden gemeinsam sei, daß sie einen „Maschinentreiber“, einen
lenkenden, reparierenden und konstruierenden Ingenieur brauchten, und weil
der Organismus sich in der Tat technischer Möglichkeiten bedient.
* Seitdem hat die experimentelle Biologie der Entwicklung ein gewaltiges
weiteres Material angehäuft.
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