tun wir hier den Ursache-Vorgang und den Wirkungs-Vorgang nicht (was
im Mechanischen der Fall ist). Aber dieses System von Figmenten ist (im
Rahmen des Kausalpostulats) als Ergebnis einer Möglichkeitsbedingung
notwendig.
Ingeborgs12 Konzert hier war ein schöner Erfolg; jetjt soll sie ja wieder
in Heidelberg und anschließend auch in Karlsruhe spielen. Hoffentlich
glückt ihr alles in München.
Leipzig, 18. Dezember 1938
Lassen Sie mich Ihren freundlichen Brief vom 13. November noch vor
dem Fest beantworten.
In dem Werk von Smuts kommt (ebenso wie bei Adolf Meyer und Hal-
dane) der Unterschied zwischen Organischem und Anorganischem nicht zu
seinem Recht. Audi fehlt das kausale Element, das Ganz-machen, durchaus.
Einzelheiten hei Smuts sind gelegentlich recht geistvoll.
Mir scheint, auch wenn Sie nur mit „Erhaltung“ und „Auslösung“ arbei¬
ten wollen, brauchen Sie doch den Begriff der Lokalisation oder „Konstel¬
lation“, oder „gegebene Struktur“. Denn jedes Energieelement ist dort
örtlich bestimmt. Gewiß ruft stets ein Geschehen ein anderes Geschehen
hervor. Aber auch jedes Geschehen ist örtlich bestimmt, und das Vitalismus¬
problem besteht eben in der (meines und auch Ihres Erachtens negativ zu
beantwortenden) Frage, ob alles, was an einem Organismus vor sich geht,
auf einen Kausalnexus, der von örtlich Fixiertem ausgeht, zurückgeführt
werden könne. Um die „Struktur“-Frage kommt man aber auch bei energeti¬
scher Auffassung nicht herum. Der Begriff „Struktur“, auders gesagt, ist
nicht, um Ihre Worte zu gebrauchen, an die „Punkt- und Körpermechanik“
gebunden. „Feldzustände und Quantenvorgänge“ sind eben auch einer
„Konstellation“ unterworfen.
Ich habe nichts dagegen, Atome, Kristalle etc. „Ganzheiten“ zu nennen,
falls man der organischen „Ganzheit“ eine ganz andere essentia als jener
„Ganzheit“ — (die ich freilich lieber „Wohlordnungen“ nennen möchte,
um den Unterschied auch sprachlich recht scharf zu machen) — zuschreibt.
Gewiß ist im Organischen die Ganzheit, wie Sie sagen, „immer ganz
gewesen“. Aber es muß doch die intensive potentielle Ganzheit (des Eies
oder einer Regenerationsanlage) von der extensiven aktuellen Ganzheit
des Erwachsenen (oder eines Regenerates) unterschieden werden. Das Ganz-
machen beschränkt sich auf das Herausarbeiten der extensiv-aktuellen Ganz¬
heit. Zu dem, was ich „harmonisch-äquipotentielles System“ nenne, wird,
wie ich sagte, „eine Summe von Möglichkeiten in eine Ganzheit der (exten¬
siven) Wirklichkeit erst umgewandelt“. —
Herzlichen Dank für Ihre und Ihrer Frau Gemahlin Freundlichkeit,
unsere Inge bei sich beherbergen zu wollen. Sie war, wie Sie gehört haben
werden, diesmal schon mit unserem Freund Herbst verabredet. Ein andres
Mal wird sie sicher sehr gern Ihrer freundlichen Aufforderung folgen . . .
12 Drieschs Tochter Ingeborg, Konzert-Geigerin.
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