Full text: Hans Driesch

Den durch die Kohlenoxydgasvergiftung in seiner Merkfähigkeit geschä¬ 
digten Mann B., den Herr Störring vorgestellt hat, habe ich untersucht 
und sein Elektrenkephalogramm im Archiv für Psychiatrie in meiner 
11. Mitteilung, Band 104, Seite 684, auf Abbildung 5 veröffentlicht. Es 
haben sich dabei keine Abweichungen von der Norm ergeben, wie ich das 
an jener Stelle ausführlich auseinandergeseftt habe. 
Mit den besten Grüßen 
Ihr ergebenster 
(gez.) Hans Berger 
Leipzig, 8. November 1938 
Aus Ihrem inhaltreichen Brief vom 30. Oktober sehe ich, daß wir beide 
von einem besonderen Problem ganz besonders gefesselt werden, nämlich 
von der Frage, wie eigentlich die höhere (vitale) Kausalitätsform zu der 
niederen (von materiellen Elementen ausgehenden) steht. 
Ich selbst habe mich seit 1904 mit dieser Frage beschäftigt, zuerst in 
„Naturbegriffe und Natururteile“ (1904), sodann in der „Philosophie des 
Organischen“ von der ersten (englischen) Ausgabe an (1907). Sehr erweitert 
wurde dann die Erörterung in den späteren Auflagen der „Philosophie des 
Organischen“ (2. Auflage 1921, S. 416—494; 4. Aufl. 1928, S. 290—332). 
Ich sehe drei Möglichkeiten (wenn mau den Saft von der Erhaltung der 
Energie verleftbar sein läßt, eine vierte). 
Niemand fast hat sich bisher um diese hypothetischen, aber unausweich¬ 
lichen Untersuchungen gekümmert. Das Gleiche gilt von meinem Nachweis, 
daß apriori nur 4 Formen der Kausalität möglich sind (nur 2 davon reali¬ 
siert) (Ordnungslehre, 2. Auflage 1923, S. 197—214). 
Doch will ich auf alle diese Dinge nicht weiter eingehen, da Sie in dem 
Schopenhauer-Aufsaft — (Korrekturen immer noch nicht da) — alles in 
etwas gekürzter Form vorgeseftt bekommen werden, wahrscheinlich werden 
Sie der einzige wirkliche Leser dieses Aufsaftes sein, abgesehen von Herbst 
und Spemann. 
Es freut mich sehr, daß nun auch gerade Sie diesen Dingen näher treten, 
wenn auch wohl von anderem Standpunkt aus und in anderen Formulierun¬ 
gen. Aber wir beide sehen das Problem — (die „Holisten“, Uexküll etc. 
sehen es nicht) — und das ist die Hauptsache. — 
Wichtig scheint mir, daß meine Lehre von der Beziehung der Entelechie 
zur Mechanik (im erweiterten Sinne) zugleich die (auch in Ihrem Brief 
erwähnten) Grenzen der Regulationsfähigkeit verständlich macht. 
Was den „Willen“ angeht, so „wirkt“ dieser als bewußtes Erlebnis 
meines Erachtens überhaupt nicht. Was „wirkt“, ist ein dem Erlebnis zu¬ 
geordneter unbewußter Zustand der Seele-Entelechie. — 
Alle Kausaltheorie auf biologischem Boden ist natürlich, um Ihr neues 
Wort zu gebrauchen, ein System von „Figmenten“, denn „wahrnehmen“ 
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