Full text: Hans Driesch

sondern in dem für ihn seinsnotwendigen, ihn konstituierenden 
„Lebensluxus“ besteht, dem über die Lebensbedürfnisse hinaus¬ 
gehenden „Interessen“-Gebiet, das ihn „angeht“, und weil dieses 
auch in einer „Menschenentelechie“ nicht fortbestehen könnte, 
sondern nur in einer personalen Subjektivität. Dazu kommt die von 
Kant betonte Forderung der Unsterblichkeit um der Erfüllung und 
Vollendung und Gerechtigkeit willen. Über die Feststellung der 
Forderung hinaus freilich kann philosophische Betrachtung nicht 
gehen, wenn sie auch noch im Sinne der Analogie zu den Erhaltungs¬ 
sätzen für alle Reiche des Seins darauf hinweisen mag, daß auf 
menschlicher Stufe die Erhaltung des Werterlebens die Erhaltung 
der Subjektivität in sich schlösse. Mehr zu sagen könnte nur Sache 
des Glaubens sein, es sei denn, man hoffe auf „okkulte“ Empirie. 
Eines anderen Gedankens aber sei in diesem Zusammenhang noch 
gedacht, den wir früher zurückgestellt haben, eines, wenn man will, 
unverbindlichen aber doch hergehörigen Gedankens, den Meinecke 
in einer Schrift, die mir nicht mehr greifbar ist, geäußert hat, der 
Driesch, für originales, ringendes Denken immer förderungsbereit, 
empfehlende Worte beigegeben hat. Die Frage der Leibfreiheit 
scheint ja vielen der Kreuzweg für die Annehmbarkeit der Unsterb¬ 
lichkeit. Meinecke sieht das leibliche Korrelat eines Fortbestehens 
nach dem Zerfall des Organismus in eben jenem „Anderssein“ der 
Welt, das durch das Leben geschaffen wurde; wenn das mit Erleben 
verbundene Leben sich durchsetzte durch eine Änderung des Ab¬ 
laufs gegenüber dem sonst zu erwartenden, dann bleibt die Wirk¬ 
lichkeit in Ewigkeit eine andere, als sie sonst geworden wäre; alle 
„Virtuellitäten“ bleiben „aufgehoben“, wie klein die Abweichungen 
des Leibgeschehens von dem anorganisch zu erwartenden auch sein 
mochten. In diesen Abweichungen als den „Werken“ des Lebens 
hätten wir ihr dauerndes Korrelat für eine sozusagen psychometri¬ 
sche Erinnerung auch nach dem Tode. Der Gedanke Meineckes wie¬ 
derum legt die andere Frage nahe, oh denn überhaupt etwas un¬ 
wirklich wird, weil es „vergangen“ wird48. Indes mehr als ein Bei¬ 
trag zu den Unsterblichkeitsvorstellungen kann und will Meineckes 
Schrift wohl kaum sein. Der „moderne“ Unsterblichkeitsglaube, so¬ 
weit er vorhanden ist, hat sich an den Gedanken einer leibfreien 
Fortexistenz gewöhnt, für die christliche Wiederauferstehungslehre 
wird ein volles Leben nach dem Tode erst wieder mit der Ver¬ 
leihung von Ausdruck und Erscheinung in einem kommenden 
saeculum auftreten — das liegt über alle Wißbarkeit hinaus. 
Wir dürften uns Fortleben nicht vorstellen als Existieren in der über un¬ 
seren Tod hinaus sich fortseßenden Zeitkoordinate, die in die „Weltfläche“ ein¬ 
geht, sondern als Fortdauer in einer „wahren“ Zeit. 
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