„Begreifen“, Sinnherstellen, Werten und aktives Wollen — kann
erst recht als „Störung“ des vegetativen und animalischen, ja des
unreflektiert seelischen Lebens betrachtet werden.
Wird der Aufbau des Lebewesens einer Artentelechie zugeschrie¬
ben, — und auch wenn man sich auf den Boden der Immanenzlehre
stellt, muß man sagen, der Artbesonderheit der Potei.zen einer spe¬
zifischen Lebenssubstanz —, ist Erleben, Seelenleben die Aktuali¬
sierung des entelechialen Willens im Individuum, so ist geistiges
Sein seinem Wesen nach personal. Der Träger ist das urteilende,
sich besinnende, sinnschaffende und entdeckende, wertende, bewußt
wollende Subjekt. Man könnte sagen: der Wert des Lebens währt
nur bis zur Fortpflanzung, jedes Individuum erlebt als bloßes Lebe¬
wesen immer wieder im wesentlichen das Leben seiner Art. Die
Werte des geistigen Lebens aber sind personbezogen, in ihnen ver¬
wirklicht sich zeitlos Absolutes, die im Weiterleben wirklich gewor¬
denen Werte aber scheinen die Unverlierbarkeit und Unzerstörbar¬
keit des tragenden Subjektes zu fordern.
Damit hängt das Problem der persönlichen Unsterblichkeit eng
zusammen! Von einer individuellen Unsterblichkeit der Pflanze zu
sprechen, scheint sinnlos, wenn sie durch das „Haben“ der Über¬
einstimmung von Trieb und Umwelt oder ihrer Störung nur teil¬
nimmt an der überindividuellen Pflanzenseele, die sich in ihr im
rhythmischen Geschehen offenbart. Von einer Unsterblichkeit der
individuellen Tierseele zu sprechen, hätte wohl nur Sinn in Bezug
auf die Bewahrung von Gedächtnisinhalten, die auch für die Art
von Bedeutung sind. Beim Menschen als Persönlichkeit gewinnt erst
die Unsterblichkeitsidee den Charakter der Forderung: Er will un¬
sterblich sein als bewußter Träger von Werterinnerungen, Wert¬
erlebnissen, Wertbeziehungen und, wenn wir oben sagten, der Wert
des Lebens als solcher sei Wert bis zur Weitergabe, zur rhythmi¬
schen Wiederholung, so müßten wir beim Menschen sagen: sein
Wert bleibt in diesem Leben immer unerfüllt und seine Wertsehn¬
sucht ungestillt. Ob man sagt, die Pflanze empfindet oder es wird
in ihr empfunden, das ist nicht entscheidbar und unterscheidbar;
ob man einem Tier ein über Lebensnotwendigkeiten und Gewöh¬
nungen hinausgehendes Gedächtnis und den Willen, das Gedächt¬
nis an Erlebnisse zu behalten, überhaupt zuschreiben kann, ist un¬
entscheidbar; der Gedanke aber, daß das, was die Persönlichkeit des
Menschen ausmacht, der von ihm erlebte und erfahrene, in der
freien Tat geschaffene, in der Selbstbestimmung gewordene Wert¬
gehalt ist, Wertgehalt für ihn, dieser Gedanke schließt die Forde¬
rung der personalen Unsterblichkeit ein; er umschließt sie, eben
weil das Wesen seines Lebens nicht im Erleben des Lebens selbst,
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