den Reichtum ihrer Qualitäten zur Verfügung stellt, der Geist den
Stoff der Seele wählt und formt, d. h. die Seele durchgeistigt. Dies
Ideal wird gewiß nie erreicht, wie ja auch jenes Ideal des Lebens
nicht erreicht wird und Ideale immer nur Aufgaben sind.
Wenn aber der Geist eine dem Leben sich überlagernde Wirklich¬
keitsschicht ist, für den Menschen zugleich lebensnotwendig und le¬
bensgefährlich, wenn er sogar in Konflikt kommen kann mit dem
Leben, sei es, daß er auf den Irrweg der Lebensfeindlichkeit gerät,
sei es, daß er nicht ja sagen darf zu Wegen des Lebens, die minde¬
stens für den Menschen nicht gangbare Wege sind, wie haben wir
uns seine Wirkungsweise zu denken?
Wirkt er unmittelbar auf den Leib oder durch die Entelechie und
auf dem Wege der Beeinflussung des im weiteren Sinn selbst schon
bewußten Seelenlebens? Halten wir uns vor Augen: Die Entelechie
schafft zunächst im Laboratorium, den Fortpflanzungsorganen, dem
Motorium und Sensorium die Grundlage des Lebens; die Art, wie
sie sie schafft, ist aber bereits auch Ausdruck der Idee, die dem
Lebewesen zugrunde liegt, und gewisse Organe, Funktionen und
Formen der Gesamtstruktur des Leibes sind offenbar dem Ausdruck
des „Innen-Lebens“ besonders zugedacht. Der Geist strebt nach
Ausdruck in Bildern, Symbolen und Zeichen. Die Ausführung dieses
Ausdrucks aber vollzieht sich ebenso wie die Durchführung seiner
Willensentscheidungen weitgehend unbewußt. Darum wäre es ja
fehl am Platj, wenn er hier allzu sehr einzugreifen und sich ein¬
zuschalten bemüht wäre. Das „Ich werde“ ist in der Durchführung
wirksamer als das „Ich will“. Es ist, wie wenn der Geist der Seele
und der Entelechie seine Aufträge gäbe zur Ausführung. Doch emp¬
fehlen wir auch in der Ausspinnung dieses Gedankens nicht dogma¬
tisch strenge Grenzen zu ziehen. Nun sagten wir früher schon: Wenn
die uns unbewußten Lebensvorgänge schon anders verlaufen als
der sich selbst überlassene physische Vorgang verlaufen würde,
„virtuell“, so müssen wir annehmen, daß die Leibesvorgänge, die
zur Bewußtwerdung gehören, anders ablaufen, als sie ohne diese
abliefen, „virtuell 2. Art“. Schon das Seelische stellt eine „Störung“
des dem Subjekt unbewußten Lebens selbst dar und eine Reaktion
auf diese Störung. So sind ja schon Empfindung und Wahrnehmung,
von stärkeren Einflüssen und Eindrücken abgesehen, eine Störung
des Leiblichen von außen her und eine Reaktion darauf, so sind
Triebe eine Störung des Gleichgewichtszustandes der Organe von
innen her, so ist seelische und sei es auch instinktive Aktivität eine
„Störung“ dieses Gleichgewichtes, auch wenn sie im Sinne des Le¬
benswillens erfolgt. Das geistige Leben — Nachdenken, Besinnen,
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