duale44 Naturfaktor ist auch nicht nur dadurch definiert, daß er seihst
nicht als lokalisiert und ausgedehnt, nidit als etwas selbst Räum¬
liches gedacht ist, sondern seinem Wesen nach ist dieser ganzheit¬
machende Naturfaktor „Entelechie44 zielstrebig, insofern er einen
sinnhaften Aufbau schafft, d. h. ein Ganzes, das nicht nur formal
mehr ist als die Summe seiner Teile und nicht aus den Resultanten
der Teilkräfte und daher nicht aus der jeweiligen bloßen Anord¬
nung der Teile erklärt werden kann, sondern in welchem ein jeder
Teil seinen Sinn hat für das Ganze, Organ ist im Organismus. Der
Naturfaktor „Entelechie44 ist zielstrebig, insofern er für das zweck¬
mäßige, sinnhaltige Funktionieren und Reagieren und damit für
die Ermöglichung des eigentlichen Lebens verantwortlich ist. Wir
mögen die nähere Entscheidung über die führende, formende, len¬
kende, steuernde Instanz noch offen lassen, sie als eine über der
Substanz stehende Entelechie oder als ein ihr zugehöriges „Innen44
bezeichnen: Wenn wir ihr ein sinnhaftes Ziel zuschreiben, das Ziel
nämlich, lebendige, lebensfähige, d. h. aber auch fühlende, erlebnis¬
fähige Wesen zu erwirken — denn mindestens auf höherer Stufe
ist an der w'esensmäßigen Zusammengehörigkeit von Leben und
Erleben des Lebens durch den Lebensträger kein Zweifel möglich,
sie ist hier keine metaphysische Annahme mehr, sondern eine, ja
die bedeutsamste Tatsache —, wenn wir ihr also die Verwirklichung
einer Idee, die Vorwegnahme eines Plans zuschreiben und ein
„Wissen44 um Mittel und Wege zum Ziel, ein „Können44 jedenfalls,
eine „Fähigkeit44, ihre „Strebung“ zu verwirklichen, dann müssen
wir ihr Wesen ein „seelenartiges44 nennen. Ob der Biologe von Re¬
gungen, Strebungen und Drängen, von Gedächtnis oder Mneme wie
Bleuler, von einem „Intelligenzfaktor44 wie G. Wolff, ja auch nur
von Zielstrebigkeit und Zweckmäßigkeit redet, das sind lauter aus
der seelischen Sphäre entnommene Ausdrücke, lauter seelische
Fähigkeiten, wie verschieden wir sie gegenüber den menschlichen
auch denken mögen. Kurz, wir müssen der Entelechie, oder wie
immer man die verantwortliche Instanz nennen will, eine seelen¬
artige Wesenheit zuerkennen, weil wir ihr die Trägerschaft einer
Idee, das Streben nach ihrer Erfüllung und die praktische „Intelli¬
genz“ zuschreiben, das „Lebensproblem44 in so wunderbarer Weise
zu lösen, daß nachträglich diese Lösungen als den Entdeckungen
und Erfindungen unserer genialsten Köpfe weit überlegen erkannt
und anerkannt werden.
Driesch hat mit feinem Gefühl von der Entelechie bald in einem
engeren Sinn gesprochen, wenn er die morphologische Entwicklung,
Gestaltung und Erhaltung im Auge hatte — und in der Tat denken
wir daran zuerst, wenn wir das Wort Entelechie hören — bald
125