Raum-Zeitverbundenheit, aber der Unbestimmtheit von Ort und
Zeit im Elementaren, der „Krümmung“ des Kontinuums im großen,
ihre Einsicht oder doch verträgliche Bedeutung gewinnen, und die
rechte Ontologie der Mikrophysik speziell scheint die Ontologie
einer Materie-im-Werden zu sein, oder wenn man will, die Onto¬
logie einer Vorstufe der Materialität; wir legten zunächst den Nach¬
druck auf die „Akausalität“, die „Indeterminiertheit“, den Spiel¬
raum von „Freiheit“21.
Hat nun diese physikalische Entwicklung auch mit der Biologie
zu tun, geht sie auch die Biologie als solche etwas an? Und wenn
ja, welchen Einfluß hat sie dann auf Fragestellung und Antwort-
ansatj des Lebensproblems? Und ist zur Aufstellung der erwähnten
Ontologie etwa überhaupt ein Zusammenhalt von Biologie und Phy¬
sik notwendig, ja weist nicht schon die Notwendigkeit, im Vitalis¬
mus eine von der klassischen Physik abweichende Ontologie auf¬
zustellen, auf eine solche Aufgabe hin?
Wir beschränken uns in diesem Ubergangsabschnitt auf die
Frage der Zuständigkeit der Mikrophysik für die Biologie. Schon
Niels Bohr betonte, daß bereits einige wenige Lichtquanten auf die
Netjhaut wirken und zu Gesichtempfindungen Anlaß geben können.
Mit besonderem Nachdruck wird heute von P. Jordan die Bedeu¬
tung des mikrophysikalischen Geschehens für das Lebensgeschehen
vertreten. Die Gene dürften wohl als Riesenmoleküle betrachtet
werden, zwischen Molekül und Zelle steht das Virus; Bakterien, die
man mit kurzwelliger Strahlung beschießt, sterben nach dem Geset$,
nach dem radioaktive Substanzen zerfallen, dem „Exponential-
geseb“, d. h. immer im gleichen Verhältnis zur der vorhandenen
Zahl der Einheiten.
Es gilt auch hier ein „Alles oder nichts“-Gesetj, das Lebewesen
wird tödlich getroffen oder bleibt unbeschädigt (was für die Beweis¬
führung, daß mikrophysikalische Vorgänge lebenswichtig sind, be¬
deutsam, an sich aber nicht so verwunderlich ist, denn es läßt eben
auf einen lebenszentralen Bereich schließen, wie er dem organischen
Leben auf allen Stufen mehr oder weniger eigen ist). Jordan sieht
als Zukunftsforschung geradezu eine Quantenbiologie im Entstehen.
Soviel jedenfalls dürfen wir in der Tat feststellen: es gehen mikro¬
physikalische Vorgänge entscheidend in das Lebensgeschehen ein.
Aber der Organismus mit seinen ungeheuer vielen Zellen ist doch
ein makrophysikalisches Gebilde! Wenn da mikrophysikalische Vor¬
21 Um gegenüber mancher Polemik keinen Zweifel zu lassen: Das bedeutet
keinen Anthropomorphismus, keine Gleichsetjung mit menschlicher Willensfrei¬
heit, sondern eine Schwelle von Unbestimmtheit für die Individuation, das Auf¬
treten, und für die Reaktion auf einen „Reiz“ im Rahmen eines statischen Ge¬
sekes, eine Analogie zu unbewußter Willkür.
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