flauer, seine Vorgeschichte ist belanglos, das radioaktive Atom ist
ein sozusagen unhistorisches Wesen, es ist nicht von seiner Ver¬
gangenheit bestimmt. Letjte Entscheidungen freilich würden erst im
Rahmen einer metaphysisdien Gesamtwirklichkeitslehre gefällt
werden können, für die die Einzelwissensdiaften nur Anregungen
und Hinweise geben können, aber wie immer: Die Elementargese^e
sind Aussagen über Wahrscheinlichkeiten, die „strengen“ Gesetje
der Makrophysik ergeben sich nur für eine große Zahl.
Damit ergibt sidi zunächst das Problem einer Ontologie der
Wahrscheinlichkeit selbst20. Die Physik spricht von einer Doppel¬
natur der Materie, jedem Elementarmaterieteilchen ist eine Welle
zuzuordnen, die die Ausbreitung des Auftretens „vermittelt“, wir
können auch sagen, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens voraus¬
bestimmt, eine „Wahrscheinlidikeitswelle“, die sich mit Überlicht-
geschwindigkeit, also einer „immateriellen“ Geschwindigkeit fort¬
pflanzt. Aber auch das Licht hat eine Doppelnatur — wir sehen, wie
das Gewebe der modernen Mikrophysik zusammenhängt, d. h. schon
ein wirkliches Gewebe, nicht nur eine einzelne Masche ist —, es
tritt in korpuskularer Natur auf als Photonen und pflanzt sich als
Welle fort; diese Welle hat die materielle Grenzgeschwindigkeit,
die Lichtgeschwindigkeit, aber keine korpuskulare „Ruhemasse“!
Was heißt aber „Wahrscheinlichkeitswelle“? Wenn Wahrscheinlich¬
keit nur ein mathematischer Ausdruck ist (Verhältnis der günstigen
zu den möglichen Fällen, so wird sie in der Mathematik eingeführt),
dann hat sie keine physikalische, keine reelle Bedeutung. Wenn sich
die Wirklichkeit nach solchen „Wahrscheinlichkeitswellen“ und
Wahrscheinlichkeitsgleichungen richtet, dann müssen sie mehr als
ideelle Bedeutung haben. Real aber können sie als bloße Wahr¬
scheinlichkeiten auch nicht heißen.
Wir kommen also zu der Notwendigkeit, eine reale Möglichkeit,
eine Potentialität, die sozusagen mehr ist als Nichtsein und weniger
als Sein, einzuführen (wir werden später diesen alten Begriff, der
sich mit neuem Inhalt zu füllen scheint, durch eine Deutung unserem
Verständnis näherbringen können)! Die Sonderstellung des Lich¬
tes aber und der Strahlung mit „Masse“, aber ohne „Ruhemasse“
weist in das andere Gebiet der neuzeitlichen Entwicklung, in die
Ätherphysik und die Relativitätstheorie. Kurz, wir sagen nicht zu
viel, wenn wir behaupten, die moderne theoretische Physik ruft nach
einer neuen Ontologie, in der erst die vorläufig gebildeten Be¬
griffe: der Wahrscheinlichkeitswellen mit Überlichtgeschwindigkeit
und Lichtgeschwindigkeit als materieller Grenzgeschwindigkeit, der
veränderlichen Masse und beim Licht fehlenden Ruhemasse, der
2n Vgl. den Aufsatj des Vf. in „Naturwissenschaften“, 1941.
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