der Beobachtung und des Denkens wandte er auch
auf seine politische Theorie an. Ihr ist er treu ge¬
blieben, durch die Aufklärung, die Revolution, das
Kaiserreich und die Restauration hindurch bis ins
Julikönigtum hinein, und wenn auch seine Gegner
damals spotteten: «sola inconstantia constans», so
rühmt ihm heute eine Kritikerin «constance et
grandeur» nach.
ln Constants Wesen liegen zwei Kräfte, die seine
Lehre mitbestimmen: Er windet sich unter den An¬
ordnungen seines Vaters, er seufzt unter den Fesseln
seiner Liebschaften, er schreit nach Freiheit, er will
sich von keiner Gewalt hindern, von keinem Men¬
schen binden lassen; nur sich selber will er leben.
Allein die Eigensucht füllt ihn nicht ganz aus; sein
Denken und Tun wird ausserdem vom Mitleid be¬
einflusst. Er leidet daran, Andere in Not zu sehen;
er leidet daran, Andern Schmerz zufügen zu müssen.
Zu dieser durch seinen Charakter bedingten
Grundlage seines Liberalismus treten seine politi¬
schen Erfahrungen. Er wurde erzogen in der Ab¬
neigung gegen die Berner Herrschaft; er erlebte auf¬
geschreckt die Verfolgungen der Revolution; Na¬
poleon brachte ihn zum Schweigen. Und schliess¬
lich bilden eine dritte Grundlage seines Denkens
die Freiheitsideen der Aufklärung, vor allem der eng¬
lischen Wirtschaftstheoretiker, die Schriften der deut¬
schen Philosophen und die englischen und ameri¬
kanischen staatlichen und kirchlichen Einrichtungen.
ln den ersten Jahren seiner politischen Laufbahn
hat sich Constant für die Republik, später für die
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