Full text: Über die Freiheit

Tagebuch vermerkte er 1807: «Ein Brief von Ma¬ 
dame de Staël. Welche Furie! Mein Gott, erlöse uns 
voneinander!... Ich bin dieses Mannweibs überdrüs¬ 
sig, das mich mit seiner Eisenhand seit zehn Jahren 
gefesselt hält.» Die einzige Möglichkeit, sich zu be¬ 
freien, schien ihm das Eingehen einer Ehe. ln Paris 
traf er eine Bekannte aus der Braunschweiger Zeit, 
Charlotte von Hardenberg. Jetzt, da er sie wieder¬ 
sah, lebte sie in unglücklicher Ehe und erschien ihm 
in allem als das Gegenteil von Madame de Staël — 
sanft, ruhig, bescheiden —, so dass er sich sofort ent¬ 
schloss, sie zu heiraten. Die Schwierigkeiten ihrer 
Scheidung waren viel geringer als diejenigen, die 
Benjamin zu überwinden hatte. Er reiste nach Cop- 
pet, blieb wochenlang dort, eine Szene folgte der 
andern; Madame de Staël drohte sich zu töten, wenn 
er sie verlasse; er blieb, hin- und hergerissen; und 
Charlotte wartete derweil auf ihn in Besançon. Er 
vermochte keiner Frau weh zu tun und wusste zu¬ 
gleich, dass er durch seine Unentschlossenheit seine 
Zukunft, sein Glück zerstöre, ln dieser Seelenspan¬ 
nung schrieb er innerhalb vierzehn Tagen, als eine 
Art von Selbstkritik, den Roman « Adolphe», in dem 
er die Willenlosigkeit des Helden schonungslos auf- 
zeigte. Der kleine psychologische Roman gilt heute 
als eines der Meisterwerke der französischen Litera¬ 
tur. Für Constant trat die Lösung dadurch ein, dass 
Madame de Staël, ohne zu wissen, was sich vorbe¬ 
reitete, nach Wien verreiste. Diese Befreiung be¬ 
nützte er, um sich — vorläufig bloss geheim — 
trauen zu lassen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.