Full text: Über die Freiheit

Tadel nimmt ein halbamtliches Gepräge an, wo¬ 
durch er heftiger schmerzt und schadet. Die Be¬ 
troffenen klagen deswegen die Regierung an. Welche 
Vorsichtsmassregeln diese auch trifft, all dem, was 
einem persönlichen Angriff gleicht, kann sie doch 
nicht Vorbeugen. Solche Vorsichtsmassregeln for¬ 
dern ein geistreiches und spöttisches Volk bloss auf, 
sie gewandt zu umgehen. Wenn die Zeitungen dem 
Einfluss der Polizei unterstehen, gilt es als ein Be¬ 
weis von Geist, die Polizei durch einige Sätze, die 
sie nicht sofort begreift, zu verwirren. Nun, wer 
unter uns weigert sich, einen Beweis von Geist zu 
geben, wenn keine Todesstrafe darauf steht? 
Eine Regierung, die nicht Gewaltherrschaft sein 
will, muss sich davor hüten, die menschliche Eitel¬ 
keit aufzustacheln; sie darf nicht zugeben, dass sich 
mit der Befreiung aus ihrer Abhängigkeit ein Erfolg 
verbinde. 
Die Zeitungszensur begeht also diesen ersten Feh¬ 
ler, dass sie allzusehr darauf achtet, was die Blätter 
Falsches und Unpassendes sagen könnten. Ihre Aus¬ 
übung erheischt Unruhe und Kleinlichkeit, was ihrer 
Würde nicht entspricht. Die Regierung muss sozu¬ 
sagen jedem Abschnitt nachjagen und ihn ungültig 
erklären, damit es nicht scheine, als habe sie ihn 
gutgeheissen. Wenn man in einem Land nicht ohne 
Einwilligung der Regierung reden könnte, wäre jedes 
Wort amtlich, und sooft einem Redner eine Unvor¬ 
sichtigkeit entschlüpfte, müsste man ihr widerspre¬ 
chen. Die Regierung möge freie Zeitungen schaffen. 
Dann werden deren Behauptungen nichts anderes als
	        
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