sie von einer Grenze des Landes zur andern ver¬
schickt. Oft stellen sie den einzigen Lesestoff ihrer
Bezüger dar. Falls sie Gift enthalten, ist kein Ge¬
gengift vorhanden. Anderseits ist es leicht, sie zu
unterdrücken. Die Druckereien sind öffentlich be¬
kannt und können in jedem Augenblick zerstört
oder gerichtlich versiegelt, die Nummern beschlag¬
nahmt werden. Allein schon durch die Tatsache der
täglichen Verteilung hat sie die Obrigkeit noch fester
in der Hand.
Obwohl die Gefahr grösser und die Vorsichtsmass-
regeln weniger drückend erscheinen, wage ich im¬
merhin zu behaupten: indem die Regierung die Zei¬
tungen in einer andern Abhängigkeit als derjenigen
der gesetzlichen Verantwortlichkeit hält, unter wel¬
che jede Schrift ihren Verfasser stellen muss, be¬
schwört sie ein Übel herauf, welches sogar durch den
Erfolg ihrer Vorsichtsmassregeln verschlimmert wird.
Dadurch dass die Regierung die Zeitungen einem
besonderen Zwang unterwirft, macht sie sich einmal
in Tat und Wahrheit, ohne es zu wollen, verant¬
wortlich für alles, was sie schreiben. Vergebens ver¬
wahrt sie sich gegen diese Verantwortlichkeit; alle
denkenden Menschen machen sie dafür haftbar. Da
die Regierung alles verhindern kann, schiebt man
ihr die Schuld für alles zu, was sie erlaubt. Die Zei¬
tungen gewinnen eine übertriebene und schädliche
Bedeutung. Man liest sie, als ob sich in ihnen der
Wille des Gebieters abzeichnete, gleich wie wenn
man seine Gesichtszüge zu studieren versuchte, so man
die Ehre hätte, in seiner Nähe zu sein. Beim ersten
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8* Constant, Freiheit