deutsche Fragen ja ganz offenkundig mit dessen unverhohlener Unterstützung für
die Ablehnung des Statuts gewähren.37
Diese sogenannte „Adenauer-Kontroverse“ dominierte die heiße Phase der
öffentlichen Auseinandersetzung bis zum Tag der Abstimmung und wurde im
Saarland teilweise in Form einer regelrechten Propagandaschlacht ausgetragen. Sie
prägte aber auch die saarländische Politik nach dem Referendum. Diejenigen
Christdemokraten - vor allem aus den Reihen der CVP die sich für das Statut
entschieden hatten, fühlten sich vom Bundeskanzler verraten und misstrauten
seither der Zuverlässigkeit der bundesdeutschen Schwesterpartei. Die Kräfte
jedoch, die sich innerhalb der saarländischen CDU für die Ablehnung des Statuts
ausgesprochen hatten, sahen sich vor dem Referendum einem massiven Druck der
CDU-Bundesleitung ausgesetzt, welche im Namen des Parteivorsitzenden auf eine
einheitliche Linie der CDU entlang der von der Bundesregierung amtlich ver¬
tretenen zustimmenden Haltung gedrängt hatte. Vor dem Hintergrund dieser Erfah¬
rung fürchteten sie auch nach der Abstimmung jede direkte Einflussnahme der
Bonner CDU auf ihre internen Entscheidungsprozesse - eine Angst, die innerhalb
der Parteiführung bis weit in die Zeit des nach 1956 schrittweise erfolgenden
Generationswechsels bestehen blieb. So waren viele der Probleme, die sich im
Zuge des späteren Einigungsprozesses für das christdemokratische Lager an der
Saar stellen sollten, bereits in der „Adenauer-Kontroverse“ angelegt.
Auch in der wissenschaftlichen Forschung löste die Frage nach dem „eigentli¬
chen“ Willen Adenauers eine heftige Kontroverse aus, die nach Umfang, Art und
Bedeutung mit der Diskussion über die Annexionsabsichten Frankreichs am Ende
des Zweiten Weltkriegs gleichzusetzen ist. Obwohl die verschiedenen Standpunkte
mit einer Vielzahl von Arbeiten untermauert wurden, konnte die „Adenauer-
Kontroverse“ bislang nicht eindeutig entschieden werden. Es zeigt sich aber sehr
deutlich, dass die schlichte Gegenüberstellung scheinbar eindeutiger Quellenbe¬
weise - so zahlreich sie auch sein mögen - nicht zu einem vertieften Verständnis
der mit der Kontroverse verbundenen Problematik führte. Vor allem sollte die
Interpretation der Adenauerschen Politik nicht von der eigentlichen Fragestellung,
nämlich von ihrer Bedeutung für die weitergehende wissenschaftliche Diskussion,
getrennt werden.
Im Hinblick auf die übergeordnete Forschungsdiskussion zur deutschen Saarpo¬
litik ist das Verhalten Adenauers nach Unterzeichnung der Pariser Verträge deshalb
wichtig, da er die - früher stark auf territoriale, nationale und ökonomische Argu¬
mente ausgerichtete - deutsche Position in dieser Phase um das klare Bekenntnis
zur freiheitlichen Demokratie ergänzte. Dies scheint umso beachtenswerter, als die
bundesdeutsche Seite eine Volksabstimmung über die Saarfrage noch kurz zuvor
37 Zur „Adenauer-Kontroverse“ vgl. die beiliegende CD-ROM von Susanne Dengel. Hierauch
weiterfuhrende Literaturhinweise.
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