3. Die bundesdeutsche Saarpolitik
Vorgeschichte und Anfänge deutscher Saarpolitik
Über das Kriegsende hinaus blieb das Saarland zwar formell durch seine Zuge¬
hörigkeit zum Regierungspräsidium in Neustadt noch einige Monate an das Deut¬
sche Reich gebunden, die tatsächliche politische und administrative Kontrolle
Deutschlands über die Saar ging aber bereits vor seiner Kapitulation am 8. Mai
1945 verloren. Die überstürzte Flucht der Gau- und Kreis-Behörden sowie des
Saarbrücker Oberbürgermeisters vor den anrückenden Truppen der Alliierten
beendete im südlichen Teil des Saarlandes die nationalsozialistische Herrschaft.
Nur in den nördlichen Gebieten hielt die militärische Kommandostruktur den ver¬
lustreichen Kampfhandlungen noch einige Zeit lang stand.
Spätestens die Kapitulation stellte die deutsche Saarpolitik vor völlig neue
Herausforderungen. Unter dem Nationalsozialismus war das Saargebiet infolge der
militärischen Eroberungen im Westen zunächst dem Gau Westmark einverleibt
worden. Ein bemerkenswert dichtes Netz von Wissenschaftlern verschiedener
Disziplinen hatte sich - basierend auf den Vorarbeiten der zwanziger Jahre - schon
nach 1935 darum bemüht, alle dem völkisch-nationalen Konzept des Nationalsozia¬
lismus widersprechenden Bestandteile regionaler Kultur und Geschichte aus dem
kollektiven Bewusstsein zu entfernen. Nach 1940 fand diese Arbeit ihre Fort¬
setzung, als vom gleichen Personenkreis mit ähnlichen Methoden die pseudo¬
wissenschaftlichen Grundlagen gelegt wurden für deutsche Besitzansprüche auf be¬
nachbarte ostfranzösische Gebiete und vor allem für die grausamen Kriegs¬
verbrechen der nationalsozialistischen Verwaltung, der Wehrmacht und der SS
gegen die französische Bevölkerung. Wäre Deutschland Sieger geblieben, so hätte
Hitler vermutlich - ebenso wie faktisch seit 1940 bereits Eisass und Lothringen -
weite Teile Ostfrankreichs annektiert. Diese Bestrebungen waren zwar spätestens
1945 hinfällig geworden, doch blieb die Erinnerung daran im Hintergrund der fran¬
zösischen Saarpolitik stets präsent. Hingegen hatte sich in Deutschland die Vor¬
stellung von einer eindeutigen und unlösbaren nationalen Zugehörigkeit der Saar
weitgehend durchgesetzt, weshalb auch in deutschen Widerstandskreisen keine
gesonderten Überlegungen zur Saarfrage angestellt wurden. Anders als die Sieger¬
mächte verfügte die deutsche Seite damit zum Kriegsende über keinerlei Planungen
oder Konzepte für eine Saarpolitik, die den veränderten politischen Bedingungen
Rechnung getragen hätte.
Daher fällt es schwer, die eigentlichen Anfänge deutscher Saarpolitik nach dem
Zweiten Weltkrieg zu bestimmen. Die am 13. September 1945 von der französi¬
schen Regierung formulierten Vorbehalte gegenüber den Beschlüssen der - ohne
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