der saarländischen Regierung und Gilbert Grandvals rückte die französische
Regierung jedoch nicht von ihrem Anspruch ab, die Saar außenpolitisch zu
vertreten. Dass am Ende nicht einmal der ursprüngliche Plan realisiert werden
konnte, nach dem der französische Außenminister eine zusätzliche zweite Unter¬
schrift für die Saar leisten sollte, besiegelte die Niederlage der Saarbrücker Kräfte
im Kampf um mehr Autonomie und wurde damit zu einem entscheidenden
Wendepunkt in der französischen Saarpolitik.
Die ambitionierte französische Saarpolitik beschränkte sich aber nicht nur auf
die Wirtschaft, sondern wandte sich auch vielen anderen Bereichen zu. Zweifellos
prägten anfänglich Misstrauen und argwöhnische Kontrolle das Auftreten der
französischen Besatzungsmacht gegenüber den Saarländern und ihren Volks¬
vertretern. Ähnlich wie in den anderen Besatzungszonen galten Entnazifizierung
und Demokratisierung als vordringlichste Aufgaben. Bereits die erste Geheim¬
direktive der französischen Regierung für die Deutschland- und Bcsatzungspolitik
vom 20. Juli 1945 forderte neben der Abrechnung mit dem „hitlérisme“ auch die
Beseitigung des „pmssianisme“.19 Die „déprussianisation“ verstand sich als Über¬
windung allen totalitären, autoritären und antidemokratischen Gedankengutes in
der deutschen Geschichte, welches man als Grundlage des Nationalsozialismus be¬
trachtete. An der Saar jedoch wurde diese „Entpreußung“ mit besonderem Nach¬
druck vorangetrieben, und die - auch in der französischen Zone praktizierten -
Straf- und Sühnemaßnahmen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur
wurden um eine Strategie der gezielten Ausweisungen ergänzt, mit deren Hilfe
„preußische Elemente“ aus dem Land entfernt werden sollten. Ähnlich wie im
übrigen Südwesten traten diesem Konzept aber auch an der Saar Maßnahmen ge¬
genüber, die bereits ab Sommer 1945 auf einen Wiederaufbau des öffentlichen und
kulturellen Lebens sowie auf die Fundierung demokratischer Institutionen
abzielten. Dass diese Politik mit enger Kontrolle verbunden war, verstand sich in
französischen Augen von selbst, führte aber schon bald zu schweren Konflikten.
Typisch für diese Politik war die Beauftragung eines französischen Architekten¬
teams um Georges-Henri Pingusson im Jahr 1947, die konzeptuelle und künstleri¬
sche Leitung beim Wiederaufbau der zerstörten Städte und Gemeinden zu
übernehmen. Das Team gehörte zu den Pionieren der von Le Corbusier geprägten
funktionalistischen französischen Städteplanung. Sie betrachteten die Kriegszerstö¬
rungen als Chance, eine sachgerechte und an den Erfordernissen der Zukunft orien¬
tierte Stadtplanung umzusetzen. Diese funktionalistische Architektur wurde den
Mustern nationalsozialistischen Städtebaus entgegengestellt und unter dem Schlag¬
wort „urbanisme“ zu einem der Kemelemente französischer Demokratisierungs¬
politik erhoben.
14 Vgl. Quelle Nr. 3a.
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