Full text: Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa (41)

nationalsozialistische Annexionsvorbilder unversehens selbst nachzuahmen. 
Viertens hätte eine Annexionsanordnung des Regierungschefs auf einer Fülle 
weiterer administrativer Ebenen ihren Niederschlag finden müssen, was jedoch 
nicht der Fall ist. Die in diesem Band wiedergegebenen, nicht genauer vertieften 
Planspiele auf Ebene der Baden-Badener Militärregierung zeigen, dass es auch 
1946 noch keinen klaren Regierungsbefehl in dieser Angelegenheit gab.9 
Sofern nicht neue und eindeutigere Belege auftauchen - was in den anderthalb 
Jahrzehnten seit Vorlage dieser Argumente nicht geschah -, ist also davon auszu¬ 
gehen, dass de Gaulle, der zunächst sicherlich ebenso wie die französische Öffent¬ 
lichkeit und Teile der Administration an eine politische Annexion der Saar gedacht 
hatte, als Regierungschef im Verlauf des Sommers 1945 - ebenso wie später seine 
Nachfolger - davon abrückte und der ökonomischen Nutzung den Vorrang gab. 
Am ehesten leuchtet die über Rainer Hudemann hinausweisende Interpretation von 
Dietmar Hüser ein: Die wirtschaftspolitische Zielsetzung habe - so Hüser - ange¬ 
sichts der eigenen Rekonstruktions-Sachzwänge für Paris eine solche Priorität 
gehabt, dass die Annexionsdebatte ohnehin sekundär geworden und auch deshalb 
nicht mehr weiter vertieft worden sei. Die Frage, in welchem Maße Frankreich die 
saarländische Politik bestimmen und kontrollieren sollte, war damit aber noch nicht 
geklärt und mündete deshalb in ständige Konflikte. 
Aus den französischen Schwierigkeiten, eine sachgerechte Balance in der Politik 
gegenüber den internationalen Partnern zu finden, erklärt sich die eigentümliche 
Stellung der Saarfrage auf den internationalen Konferenzen der Siegermächte zwi¬ 
schen 1945 und 1948. Die französischen Diplomaten sprachen das Thema immer 
wieder an und reklamierten nicht ohne Erfolg, über spezielle Interessen an der Saar 
zu verfügen. Konkrete Zugeständnisse wurden Frankreich jedoch kaum gemacht. 
Insbesondere die Westalliierten formulierten entschiedenen Widerstand gegen eine 
endgültige politische Abtrennung der Saar von Deutschland und sprachen sich - 
unter Hinweis auf die in Potsdam beschlossene Formel der territorialen Integrität 
Deutschlands - gegen jegliche Gebietsabtrennung aus.10 11 Hingegen lehnte die 
französische Regierung ab, die Diskussion um eine wirtschaftliche Anbindung der 
Saar an Frankreich mit den Verhandlungen zur Gründung der Trizone und über den 
zukünftigen Status des Ruhrgebiets zu verbinden. Aus dieser unklaren Situation 
erklären sich auch die wiederholten Anläufe der französischen Verwaltung zwi¬ 
schen Juli 1946 und Juni 1947, das saarländische Territorium neu abzugrenzen." 
Die einseitig von Frankreich durchgeführte Erweiterung des saarländischen Gebiets 
um 18 nördlich gelegene Gemeinden und insbesondere um den Kreis Saarburg 
9 Vgl. die Quellen Nr. 8 u. 10. 
10 Vgl. die Quellen Nr. 12d, 14a u. 14b. 
11 Vgl. die Quellen 12a, 12b u. 12c, 
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