durch ungemein erschwert. Dem Beharren auf bestimmten - manchmal ostentativ
als Maximalforderungen formulierten - Positionen standen sehr viel differenzier¬
tere Äußerungen und Konzepte gegenüber, die über den engen Spielraum diploma¬
tischer Verhandlungen hinauswiesen. Die Saarfrage geriet so auf diplomatischer
Ebene in das Konfliktfeld zwischen öffentlich starr formulierten Grundsatzpositio¬
nen wie der Ablehnung deutsch geleiteter Zentralverwaltungen und weitreichenden
inhaltlichen Zielen wie der Kontrolle des als destruktiv und bedrohend empfunde¬
nen deutschen Industriepotenzials.6
Die Notwendigkeit innenpolitischer Rücksichtnahme auf leidenschaftlich formu¬
lierte und oft radikale Forderungen erschwerten den französischen Protagonisten
der Saarpolitik die Arbeit zusätzlich. Viele Franzosen sahen in einer Annexion der
Saar die geradezu selbstverständliche Konsequenz des letztlich gewonnenen
Krieges. Damit verbunden war die Hoffnung auf nennenswerte wirtschaftliche
Vorteile, die den Wiederaufbau des eigenen - kaum weniger als Deutschland zer¬
störten - Landes ermöglichen würden. Der Verlust der Saar - so wurde argumen¬
tiert - sei zudem die gerechte Strafe für Deutschland, das in den vergangenen
Kriegen immer wieder französische Gebiete besetzt und annektiert habe.
Die Forschung ging lange Zeit von der Prämisse aus, nicht nur ein großer Teil
der französischen Öffentlichkeit und viele Parlamentarier, sondern auch die franzö¬
sische Regierung habe eine Annexionspolitik gegenüber der Saar verfolgt (Hein¬
rich Küppers, Wilfried Loth). Eine genaue Analyse der nach Öffnung der Archive
verfügbaren Quellen legte jedoch eine andere Interpretation nahe (Rainer
Hudemann, 1992). Erstens gibt es für 1945 auf der Spitzenebene nur einen einzigen
Beleg für eine solche Absicht de Gaulles, der sprachlich nicht eindeutig formuliert
ist, dessen Autor nicht genau identifiziert werden kann und von dem außerdem nur
der ungezeichnete Durchschlag eines auf den 8. Oktober 1945 datierten maschinen¬
schriftlichen Gesprächsprotokolls vorliegt. Auch die große Regierungsdirektive
zur Saarpolitik vom 25. August 1945 spricht nur von „Assimilation“, nicht aber
von „Annexion“.8 Zweitens handelt es sich bei dem Dokument vom 8. Oktober um
die Verhandlungsanweisungen an den Leiter der politischen Abteilung des Außen¬
ministeriums Maurice Couve de Murville für eine französisch-britische Konferenz
in London und damit um den Bereich französischer Maximalforderungen (Dietmar
Hüser) im interalliierten taktischen Spiel. Drittens hatte sich de Gaulle im Sommer
und Herbst 1945 sowohl intern als auch öffentlich mehrmals klar gegen französi¬
sche Annexionen ausgesprochen - so zum Beispiel nur zwei Tage zuvor gegenüber
den Spitzen der Militärregierung in Baden-Baden. Intern hatte das Außenmini¬
sterium bereits seit Winter 1944/45 nachdrücklich und wiederholt davor gewarnt,
6 Vgl. die Quellen Nr. 9 u. 15.
7 Vgl. Quelle Nr. 7.
8 Vgl. Quelle Nr. 5.
38