Deutschland im Rahmen europäischer Integrationskonzepte setzten, kamen in der
Öffentlichkeit vor allem aus bestimmten - vorwiegend sozialistischen - Resis¬
tance-Kreisen.
Auf der Spitzenebene entwickelten sich Kooperationskonzepte - allerdings vor
einem etwas anderen sachlichen Hintergrund - bereits ab 1943, während der Zeit
der Exilregierung de Gaulle in Algier. Die für de Gaulle vorrangige Sicherung der
französischen Großmachtstellung konnte langfristig - zu dieser Erkenntnis gelang¬
te ein nicht unwesentlicher Teil der politischen Nachkriegseliten - nicht durch eine
Abschottung Frankreichs, sondern nur im Rahmen europäischer und insbesondere
ökonomischer Integrationskonzepte durchgesetzt werden. Das bedeutete aber auch,
dass eine künftige Zusammenarbeit mit Deutschland unabdingbar war. Mittelfristig
konstruktive Maßnahmen der Besatzungsverwaltung, die bereits im Sommer 1945
unter strikten Auflagen eingeleitet und ab 1946 intensiviert wurden, lagen insofern
im ureigensten französischen Interesse. Bald schon wurde der Anspruch einer
„Demokratisierungspolitik“ als Leitlinie solcher Maßnahmen formuliert.2 Franzö¬
sische Sicherheit sollte künftig nicht mehr - wie nach 1919 überwiegend der Fall -
allein durch ökonomische und militärische Maßnahmen, sondern insbesondere
auch durch eine „Demokratisierung“ des östlichen Nachbarlandes gesichert
werden. So inkohärent, schwierig und vielfach widersprüchlich die Durchführung
dieser Maßnahmen im einzelnen auch sein sollte - hier bestand ein fundamentaler
Unterschied zur französischen Politik nach dem Ersten Weltkrieg, und hier wurden
wichtige Grundlagen für die nach 1950 eingeleitete deutsch-französische Annähe¬
rung auf Regierungsebene gelegt. In der praktischen Umsetzung griffen völker¬
verbindender Idealismus auf der einen und Großmachtpolitik auf der anderen Seite
also vielfach ineinander. Sowohl der Kulturpolitik als auch der - ökonomisch
besonders relevanten - Sozialpolitik sollte in diesem Zusammenhang eine beson¬
dere Rolle zufallen.
Der empfindlichen französischen Öffentlichkeit war eine auf Kooperation ange¬
wiesene und deshalb bald auch angelegte Deutschlandpolitik allerdings noch auf
Jahre hinaus nicht zu vermitteln. Dietmar Hüser hat für die scheinbaren Wider¬
sprüche zwischen offiziell proklamierten Maximalpositionen zur interalliierten
Durchsetzung der eigentlichen französischen Kemziele - nämlich Ruhrkontrolle
und Dezentralisierung - und einer in der Praxis ab 1946, teilweise sogar schon
1945 flexibleren und letztlich konstruktiveren Politik resultierten, den Begriff der
„doppelten Deutschlandpolitik“ geprägt. Er erklärt vieles von dem, was in der
älteren Forschung schlicht als unverständlich und widersprüchlich eingestuft
worden war. Heute lässt sich das Bild einer unbarmherzigen Reparations- und
Sicherheitspolitik nur noch dann halten, wenn - was methodisch unzulässig ist -
2 Vgl, die Quellen Nr, 3 u. 5.
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