(Bl. 124r/Abb. 45): Der Bruder des Herzogs von Kalabrien führt die drei Damen in den Valast sei¬
ner Schwester Clarissa. Er wendet sich Florentine zu, deren Hände403 ^um Redegestus erhoben sind.
Hinter ihnen folgen Die Hofdamen Marie und Weckholder\ die sich gestikulierend einmischen. In dem
Raum gehen die Ankömmlinge auf einen frei im Raum stehenden Eingang %u, der über vier Stufen in ei¬
nen erhöhten Raum führt.
Das Gastmahl findet in einem Raum mit Dielenboden und kleinen Fenstern mit tiefer, schräg geführ¬
ter Laibung statt. Der Tisch ist in üblicher Servierweise mit Vlatte, Bechern und Brettchen gedeckt. I hr
dem Tisch sitfi in Räckenansicht Marie auf einer Holzpank. Clarissa und Florentine sitzen ihr gegen¬
über. Rechts neben dem Tisch steht ein Diener. Ein Bote überreicht Clarissa einen Brief T404 Neben diesem
geht Weckholder aus dem Speisefimmer.
Florentine übergibt dem Pilger einen Brief in einem dunklen Raum. Rechts ist in Analogie 7yu dem
oben dargestellten Gastmahl ein Tisch gezeichnet, auf dem ein Buckelpokal steht. Der Pilger, der links
durch die Tür in den Raum kam, nimmt in leicht gebeugter Haltung den Brief entgegen. Seine Gewan¬
dung zeichnet ihn als Pilger aus.405
Nachdem Lewe Florentines Brief gelesen hat, beschließt er, sie als Pilger verkleidet, in
Rige aufzusuchen. Lewe tauscht die Kleider mit dem Pilger, verabschiedet sich vom Kö¬
nig und geht nach Rige. Dort lässt der Wächter Lewe nur passieren, nachdem er ihm ver¬
sprochen hat, seine Almosen mit ihm zu teilen. Im Palast begegnet er Clarissa, Marie,
Weckholder und Florentine, die Lewe in seiner Verkleidung nicht erkennt. Wenig später
reden Lewe und Florentine so lange miteinander, dass Weckholder und Clarissa misstrau¬
isch werden (Bl. 127v—133%).
(BL 124v/Abb. 46): In einem tonnengewölbten Raum hilft Eewe dem Pilger, seine Kleidung auszu-
Zjehen. Dafür beugt sich dieser nach vorne, während Eewe ihm seinen knielangen Rock über den Kopf
Zieht. Er hat seine Oberbekleidung bereits zur Seite gelegtM In der rechten Bildhälfte verabschiedet der
König Eewe, der bereits als Pilger verkleidet ist.40
Eewe wird vom Wächter durch eine Holztür mit schwerem Beschlag und Schloss in das Palastinnere
hereingelassen. Der Wächter in Räckenansicht hält die Tür mit seiner linken Hand auf und lässt Eewe
vor sich passieren. Der von einer hohen Zinnenmauer umgebene Hof ist karg und steinig. Eewe, der durch
die Tür geht, streckt Florentine die Hand zum Gruß hin. Florentine, Marie und Weckholder, die einen
kurzen Hennin trägt, stehen ihm gegenüber.
In einer Kammer sind Eewe und Florentine in inniger Umarmung zu sehen.
403 Florentines rechte Hand ist dargestellt, die linke hat der Illustrator nicht ausgeführt.
404 Zum Motiv des Briefes vgl. VON BLOH 1993, S. 24—49.
405 Zur Pilgerkleidung siehe KÜHNEL 1992, S. 196-198; BRÜCKNER 1990, Sp. 440f.; LlEBL 1993, Sp. 2150f.,
bes. Sp. 151 und Kapitel 5.1., S. 113.
406 Eine ähnliche Szene — allerdings handelt es sich um eine Ankleideszene — ist auf Abbildung 39 zu fin¬
den. Zwei Diener helfen dem König beim Anlegen der Kleider.
407 Vgl. zum Motiv des falschen Pilgers VON BLOH 2002b, S. 501 f. Doch beschreibt Bloh die Episode aus
dem Wolfenbütteier ,Herpin4, in der sich Florentine in einem Kloster versteckt hält und nicht im Palast
von Clarissa gefangen gehalten wird, ln der französischen Vorlage ,Lion de Bourges4 und in der Berliner
Version gibt der wahre Pilger Lewe Anweisungen, wie er sich als Pilger verhalten soll. Vgl. hierzu KlB-
LER 1969, S. 407—413.