Marie von Blois, Enkelin Karls von Valois (f 1325), von den Kapetingern ab. Dem ent¬
spricht die Betonung des französischen Lilienwappens nicht nur im Roman, sondern auch
im Eberbacher Grabmal ihres Sohnes Philipp, im Gebetbuch ihrer Tochter Margarethe
und auf einem aus deren Besitz stammenden Berleburger Wappenblatt. Ferner werden im
Saarbrücker Zyklus eben Huge Scheppel und der lieb heilig sant Ludowig, der heiliggespro¬
chene Ludwig IX. von Frankreich (f 1270), schließlich noch Lewe aus dem ,Herpin£, den
mit dem (den Lothringer Herzogen verwandten) Hause Anjou der Anspruch auf Sizilien
und Kalabrien verband, mit dem Verwandten-Epitheton lieb benannt.238 Damit konkreti¬
siert sich romanhaft die ohnehin vorhandene traditionelle Orientierung Elisabeths von
Lothringen und ihrer Umgebung an der höfischen Elite Frankreichs und Burgunds. Ihr
Sohn Johann III. wurde — wie oben erwähnt- Ritter im Ordre du Croissant Renés von
Anjou. Die Saarbrücker Romane korrespondieren damit — in bescheidenerer Dimension —
den vom burgundischen Herzog Philippe le Bon veranlassten Chanson-de-geste-Bearbei-
tungen und etablieren zugleich im deutschen Sprachraum eine neue literarische Form.
Die Fürsten und der Hochadel kleinerer Höfe, der Landadel und die Patrizier der Städ¬
te repräsentieren das Publikum volkssprachiger Literatur im späten Mittelalter.2,9 „Den¬
noch waren die ältesten Prosaromane für eine handschriftliche Verbreitung konzipiert.
Nicht nur ihre Übersetzerinnen — Elisabeth von Nassau-Saarbrücken oder Eleonore von
Österreich — auch ihre Adressaten waren [...] hochgestellte Personen des Adels.“240 Der
Adressatenkreis der vier Chansons-de-geste-Adaptionen ist überschaubar und homogen,
vor allem beschränkt er sich auf die Höfe, zu denen Elisabeth persönliche Verbindungen
hatte.241 Direkte Nachrichten über eine Bibliothek im Hause Nassau-Saarbrücken fehlen,
doch wird man davon ausgehen können, dass es einige Bücher in ihrem Besitz gegeben
hat. Von Margarethe von Rodemachern, Elisabeths Tochter, ist ein Verzeichnis der von
ihr verliehenen Bücher erhalten, die sie innerhalb der Familie sowie an Geistliche und
lothringische Adelsfamilien verlieh.242
Einzelne Handschriften der Adaptionen lassen sich bestimmten Besitzern zuschreiben.
Aus den erhaltenen Codices zu schließen, legte die ausgewählte Leserschaft besonderen
Wert auf großzügige Bebilderung. So ist davon auszugehen, dass die Handschriften Auf¬
tragsarbeiten waren. Zwar setzte zu dieser Zeit der Buchdruck ein, doch die Abschrift
umfangreicher Unterhaltungsliteratur war immer noch kostspielig und wurde nicht auf
238 Ygj zur Bedeutung der Belehnung Lewes mit Kalabrien im ,Herpin‘ BASTERT 2002, S. 466f. Im Epos
erscheint sogar ein hert^og von Calaber ... der was Lewe sone von Burges in Betry1, ein Bastardsoh. Wenn freilich
im ,Loher und Malier' als kaiserlicher Heerführer ein König von Sizilien und Herzog von Kalabrien ge¬
nannt wird, so kann hier durchaus ein intertextueller Bezug zum vorangestellten ,Herpin' vorliegen.
239 MÜLLER 1977, S. 71.
240 Schmitt 1999, S. 54.
241 LEXMA III, Sp. 1837; MÜLLER 1985, S. 42 Anm. 130; SCHMITT 1999, S. 54; HAUBRICHS 1991, S. 18f.;
SAURMA-jELTSCH 1994b, S. 19: „Bei ,Pontus und Sidonia', aber auch bei der ,Historie von Herzog Her¬
pin' handelt es sich um Texte, die erst kurz vorher ins Deutsche übersetzt worden waren und offenbar
lediglich höfischen Kreisen vertraut gewesen sind.“
242 HAUBRICHS 1991, S. 6f.; HAUBRICHS 2002c, S. 533—538; zur Bücherfreundin Margarethe ferner HERR¬
MANN 2013, S. 137-144 und BRÜCKNER 2013, S. 185,187 und S. 199f.
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