Full text: Die Berliner Herpin-Handschrift in der Staatsbibliothek zu Berlin (Ms. Germ. Fol. 464)

Allerdings ist diese These nicht durch sonstige biographische Zeugnisse gestützt, so dass 
die Meinung Burcherts, Elisabeth habe in ihren Romanen ein bestimmtes Erziehungsideal 
transportiert, Spekulation bleiben muss. Jedoch übernahmen ihre Kinder Johann und Mar¬ 
garethe das literarische Interesse ihrer Mutter. Graf Johann soll - nach der Notiz eines spä¬ 
teren Druckes — in St. Denis einen Huge Scheppel-Text kopieren haben lassen und diesen 
anschließend seiner Mutter mitgebracht haben.2 ’2 Von den vier Romanen ließ Johann 1455 
und bald danach großformatige, reich illustrierte Prachthandschriften anfertigen. Johanns 
,Loher und Malier'-Handschrift2’’ wird auf Grund des Wappenstandes auf 1455/56 da¬ 
tiert:2’4 Auf Folio 1' ziert eine D-Initiale mit eingepasstem Nassau-Saarbücker Wappen Jo¬ 
hanns III. die linke Spalte. Der quadrierte Wappenschild zeigt rechts oben und links unten 
einen rot gekrönten goldenen Löwen auf blauem Grund mit goldenen Schindeln 
(= Nassau) und links oben und rechts unten einen gold gekrönten Silberlöwen vor blauem 
Feld mit goldenen Kleeblattkreuzen Saarbrücken-Commercy).2° Unterhalb des Wappen¬ 
schildes sind ein Schriftband mit den Worten „Loz En Croissant“ und eine Mondsichel an¬ 
gebracht: Die Zeichen des Ordre du Croissant, der von René von Anjou 1448 gestiftet und 
in den Johann 1455 aufgenommen wurde.2 ”1 Das gleiche Format, der Schreibduktus und die 
gleiche Disposition von Text und Bild in der Hamburger ,Loher und MalleF-Handschrift 
und in der Hamburger ,Huge Scheppeh- und ,Sibille£-Sammelhandschrift und dem Wol- 
fenbütteler ,Herpin' lassen eine Datierung auf die zweite Hälfte der 1450er Jahre zu. 
Wolfgang Haubrichs definierte die Intention Elisabeths anders: Die ,primäre Funktion' 
sei „eine genealogisch-politische, auf die Erhöhung des Hauses gerichtet.“2’ Er geht vom 
Zykluscharakter der Prosaromane Elisabeths aus, die in der Historie von ,Huge ScheppeF 
(Hugues Capet) gipfeln, dem Spitzenahn der französischen Könige, der Kapetinger, und 
ihrer Nebenlinie, der Valois. Elisabeth von Lothringen stammte über ihre Urgroßmutter 
rung, die den frühneuzeidichen Hof charakterisiere.“ 
232 LlEPE 1920, S. 20, 85, 99f., 104 und 139; SAUDER 2002, S. 573: „[...] Man fyndt ouch des die bewerung 
zu Pariß in sant Dyonisius kirchen in der waren kronicken / do fürsten und herren wol die warheit in 
hören / do ouch diß buch uß geschriben is in welsche / und dett es der wolgeborne graff herr Johann 
graff zu Nassaw und zu Sarbrücken herr zu heißbert etc. uß schriben / und zu Sabrükken macht es sin 
muter genant Elyzabeth von lottringen greffyn zu widmont zu tütsch.“ (Huge Scheppel, Cod.ll in 
scrinio zitiert nach MÜLLER 1993, S. 192). 
233 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod.ll in scrinio. Zur Handschrift vgl. MÜLLER 1993. 
234 Die ältere Forschung ging bei der Frage nach der Datierung bisher immer vom Wasserzeichen und einer 
falschen Lesung ihres Anfangs aus. Ute von Bloh las die Anfangsbuchstaben (mit weit reichenden ge¬ 
nealogischen und chronologischen Folgerungen) als URACH, wobei sie die Initiale nicht mit einbezog 
und das nach rechts geschlossene c als a las. Hans-Walter Herrmann (HERMANN 2002, S. 121) und 
Hermann Urtel (URTEL 1905, S. 3) lasen den Anfang richtiger als DURCH. Somit ergibt sich für die Da¬ 
tierung, dass die zweite Frau Johanns, Elisabeth aus dem Hause Württemberg (Urach), nicht einbezogen 
werden kann und dass der Entstehungszeitraum nicht 1470—72, sondern 1455/56 ist. 
235 Das Wappen entspricht dem vor der Heirat Johanns mit Johanna von Loen-Heinsberg, denn danach 
fügte er seinem Wappen in Form eines Herzschildes den Hinweis auf seine durch Heirat erlangten nie¬ 
derländischen Gebiete hinzu. Vgl. HERRMANN 2002, S. 121. 
236 Herrmann 2002, S. 120f. 
237 Haubrichs 1991, S. 18; Haubrichs 2002a, S. 35-37; Haubrichs 2012a, S. 47, 50f. und Wolf 2008, 
S. 67. 
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