Text und Miniaturen stehen in den Romanhandschriften in engem Bezug zueinander,
denn in der Regel fassen die Illustrationen den Inhalt vor den entsprechenden Kapiteln
bildlich zusammen.224 In den Heidelberger und Berliner Bildzyklen folgen die Illustratio¬
nen in dichter Folge, Bild- und Texterzählung sind eng miteinander verschränkt. Die Bil¬
der wiederholen nicht die Erzählmotive, sondern können die Lektüre und die Interpreta¬
tionsansätze der Rezipienten lenken.
Der erste Herpin-Druck“" um 1514 stammte von Johannes Grüninger aus Straßburg;2''1
die Zweitdrucke wurden erst ungefähr 50 Jahre später in Frankfurt aufgelegt. So kann da¬
von ausgegangen werden, dass zunächst keine starke Nachfrage bestand. Die starke An¬
lehnung des Erstdrucks an die handschriftlichen Vorlagen ist auffallend, anders als in den
nachfolgenden Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts.“ Um dem Rezipientenkreis an die
vergangene Zeit heranzuführen, heißt es im Straßburger Druck von 1514: s
Vnnd ist diese sach vor langer zeit beschehen vnnd in andern vil Sitten vnd gewohnheiten dozuomal gebrucht die
jetzundt seltzam zuo hoeren aber doch beschehen ist.229
Die Anzahl der überlieferten Drucke, insgesamt sechs, zwischen den Jahren 1514 und
1659 lässt auf eine höhere Resonanz im Vergleich zu den beiden anderen Romanen ,Huge
ScheppeF und ,Loher und Maller4 schließenA"
2.4. Adressatenkreis und Funktion
Bernhard Burchert wies den vier Historien einen besonderen Stellenwert in der Erziehung
von Elisabeths jüngstem Sohn Johann III. zu. Durch diese habe sie sowohl angemessenes
Verhalten, das sich von den traditionellen Werten der Ritterlichkeit zu realitätsbezogenen
Moralvorstellungen wandelte, als auch literarisches Verständnis kommunizieren wollen.2,1
224 Stork 2002, S. 607.
225 Die Drucke tragen den Titel ,Der weiß Ritter‘.
226 KONCZAK 1991, S. 40f.; Heitz/RITTER 1924, S. 73, Nr. 234; GOTZKOWSKY 1991, S. 80. Exemplare
des Erstdruckes finden sich in: London, The British Library, 12450.U.; Mainz, Gutenberg-Bibliothek,
Stb Ink 551, Nr. 3 und Stb Ink 351; München, Universitätsbibliothek, Cim. 42; München, Bayerische
Staatsbibliothek, 2. P.o.germ.30q und 2. P.o.germ.30qa; Wien, Österreichische Natinalbibliothek,
38.N.23.
227 Thomas Rebart und Weygand Hanen Erben, Frankfurt o. J.: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kul¬
turbesitz, Yu 1930. — Paul Reffeier in Verlegung Hartmanni Hahns, Frankfurt 1579; o. O. 1580: Wol¬
fenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, 556.11.Hist. — integriert im: Buch der Liebe, Johann Feyerabendt
in Verlegung Sigmund Feyerabendts, Frankfurt 1587: Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universi¬
tätsbibliothek, 4° Fab.Rom. I 5029 rara; London, The British Museum, 1874.d.l8. — Vincentius Strach in
Verlegung Nicol. Nerlich, Leipzig 1590. Nürnberg, Landeskirchüches Archiv, Fen. V 1629 8°. — Ham¬
burg 1659: Nur bibliographisch nachgewiesen. Zu den einzelnen Drucken KONCZAK 1991, S. 40—54
und 137-188; GOTZKOWSKY 1991, S. 80-82; HEITZ/RlTTER 1924, S. 73f.: Hier fehlt ein Druck, denn
die Nummern 234 und 719 sind identische Drucke. Vgl. zur bildlichen Verselbständigung in den Dru¬
cken des 16. und 17. Jahrhunderts ÖTT 1987, S. 276f.
228 MÜLLER 1983, S. 440.
229 Der weiß Ritter, Straßburg 1514, Bl. lila.
230 Gotzkowsky 1991, S. 79.
231 BURCHERT 1987, S. 51—55 und 145: Die Romanhelden befänden sich „genau am Übergang von der
Körperkraft und Abstammung basierenden feudalen Gesellschaftsformation und der Institutionalisie-
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