Full text: Die Berliner Herpin-Handschrift in der Staatsbibliothek zu Berlin (Ms. Germ. Fol. 464)

Die ehemals Braunschweiger Herpin-Handschrift und die beiden Hamburger Abschrif¬ 
ten des ,Loher und Maller‘ und ,Huge Scheppel/Sibilie4 sind in derselben Werkstatt gefer¬ 
tigt worden;"11 darauf deuten das Format, der Schreibduktus und die kolorierten Feder¬ 
zeichnungen hin.212 Vermutlich wollte Graf Johann im Andenken an seine Mutter Elisa¬ 
beth ein literarisches Denkmal schaffen, obwohl er ansonsten nicht als Büchersammler 
bekannt geworden ist."1' Der Auftrag zu den aufwendigen und kostspieligen Abschriften 
ist ungewöhnlich. Auf Grund von Wappen und Emblem kann Johann als Auftraggeber 
identifiziert211 und können die Handschriften zwischen 1455 und 1456 datiert werden.213 
Die Wolfenbütteler Handschrift (Cod. Guelf. 46 Novissimus °2) umfasst heute 172 Pa¬ 
pierblätter. Im 17. Jahrhundert wurden die Blätter 1, 5 und 9 wahrscheinlich wegen ihres 
Bildschmucks entfernt.“ 6 Aus der gleichen Zeit stammt der Papiereinband, der mit einem 
Pergamentfragment eines Graduales überzogen ist.21 Im Bildprogramm wurden 32 der 
über 160 geplanten Illustrationen ausgeführt, die nach Fertigstellung und vor der Anbrin¬ 
gung der roten Tituli und Initialen eingeklebt wurden. Is Die Miniaturen folgen der Erzäh¬ 
lung detailgetreu. Diese detailgetreue Bebilderung muss im Zusammenhang der Hand¬ 
schriften Johanns und dessen Bedeutung für die Familie Nassau-Saarbrücken gesehen 
werden."1 Die Mehrstellen des Textes in der zweiten Redaktion des Herpin verraten, dass 
dieser Text wohl später von Elisabeth überarbeitet wurde. 
Alle Codices besitzen in der Gegenüberstellung unterschiedliche Textauslassungen, die 
eine direkte textliche Abhängigkeit untereinander ausschließen.22,1 Daraus kann gefolgert 
werden, dass es eine oder mehrere deutsche Prosavorlagen gegeben hat, die in divergie¬ 
render Weise bearbeitet und gekürzt wurden.2"1 Die erhaltenen Handschriften des Herpin 
differieren stark in den Textredaktionen und in den Bildprogrammen. Es sind drei ver¬ 
schiedene Redaktionen. „Ob die drei Redaktionen auf eine gemeinsame Prosafassung zu¬ 
rückgehen oder ob von vornherein unterschiedliche Fassungen des ,Herzog Herpin4 exis¬ 
tierten, ist aufgrund der Überlieferungslage nicht zu entscheiden.44222 Jedoch können einige 
Gemeinsamkeiten in der textlichen Bearbeitung der Heidelberger und der Berliner Hand¬ 
schrift festgestellt werden. Die beiden Codices setzen sich dadurch von der langen 
Textfassung des Wolfenbütteler Codex ab.223 
211 Die zwei anderen Handschriften sind in der Reihe der Codices illuminati medii aevi erschienen: ,Schep- 
pel/Sibille" in MÜLLER 1993 und ,Loher und Maller4 in VON BLOH 1995. 
212 LIEPE 1920, S. 85. 
213 VON BLOH 1995, S. 21 f. 
214 Wolf 2000, S. 8 und Stork 2002, S. 591 f. 
215 Herrmann 2002, S. 120f. 
2,6 Wolf 2002, S. 10. 
2n Der Einband des Hamburger Loher und Malier-Codex ist auch mit Pergament überzogen, das aus dem¬ 
selben Graduale stammt. Siehe WOLF 2002, S. 10. 
218 STORK 2002, S. 604; zum Programm der Miniaturen Anhang I. 
2,9 Wolf 2000, S. 22. 
220 Vgl. hierzu MÜLLER 1905, S. 20-20 und VON Bloh 2002, S. 45-54. 
221 von Bloh 2002, S. 51 und Stork 2002, S. 604. 
222 BASTERT 2014, S. XVIII. 
223 von Bloh 2002, S. 54. 
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