Full text: Die Berliner Herpin-Handschrift in der Staatsbibliothek zu Berlin (Ms. Germ. Fol. 464)

Beziehungen zwischen ihren Höfen unterhielten, inspirierte möglicherweise die in der 
dortigen Bibliothek befindlichen ,Herpin£ die Herzogin.191 Solch ein Austausch erfolgte 
auch durch die Literaten, da diese meist Beziehungen zu mehreren Hofhaltungen auch 
über größere Distanzen hinweg pflegten, denn die Zugehörigkeit zu einem Literatur för¬ 
dernden Hof band die Autoren nicht an einen bestimmten Ort.191 So regten die Höfe lite¬ 
rarische Tätigkeiten an, deren produktive Autoren meist schon aus dem Bürgertum ka¬ 
men.1" Um dieselbe Zeit verdeutschte Johannes Hartlieb die Alexandergeschichte im 
Auftrag Albrechts III. von Bayern (1438—1460) aus lateinischen Vorlagen.11 Im Todesjahr 
Elisabeths, 1456, schloss sich den fünf Prosaübersetzungen der aus einem französischen 
Versepos stammende Roman ,Melusine* 4 198 des Berners Thüring von Ringoltängen, verfasst 
für den Markgrafen Rudolf von Hochberg-Neuenburg, an.1" Ebenfalls in das Jahr 1456 
datiert ist auch die erste selbstständige Prosaauflösung des deutschen Versromans ,Valen¬ 
tin und Namenlos4.199 203 In den 1470er Jahren wurde zum zweiten Mal ,Pontus und Sidonia4 
von einem anonymen Autor in deutsche Prosa übersetzt, unabhängig von Eleonores Auf¬ 
lösung, die ab 1483 in den Druck ging und mehr als zwanzig Auflagen erfuhr.-"" 
Die vier Übersetzungen, die im Umkreis Elisabeths entstanden, stellen eine Kombina¬ 
tion aus Chanson-de-geste-Elementen und Prosaroman dar. Einerseits sind sie noch dem 
Wahrheitsanspruch und der Rezeption der Chanson-de-geste-Tradition verhaftet, ande¬ 
rerseits stehen Komposition und Handlungsführung dem durchaus unabhängig gegen¬ 
über. Die Übertragungen sind zwar historisch konzipiert auf der Grundlage der Chanson- 
de-geste-Struktur, dennoch sind die gelegentlichen zeitgenössisch-politischen wie sozialen 
Anspielungen sekundär.- 1 Die neuen Romane richteten sich vor allem an eine kultivierte 
höfische Elite im Umkreis Elisabeths. 
2.3. Überlieferungsgeschichte des ,Herpin‘ 
Die Bezeichnung ,Herpin42"2 wurde dem literarischen Werk nachträglich gegeben, war 
aber schon im 16. Jahrhundert bekannt, wie der später hinzugefügte Eintrag „Hystoria 
von hertzog Herpin vnnd könnig Karll44 in der Heidelberger Handschrift bezeugt.-"1 Ana¬ 
sächllch als Stadtschreiber in Esslingen tätig war. Strohschneider nimmt an, dass die Literaturförderung 
erst ab 1455 einsetzte (STROHSCHNEIDER 1986, S. 47). 
194 Liepe 1920, S. 51 und CRAMER 32002, S. 72. 
195 Strohschneider, 1986, S. 43f.; Grubmüller 1979, S. 420f.; Müller 1977, S. 73. 
196 Vgl. über den Münchener Hof als Literaturzentrum GRUBMÜLLER 1979, S. 405—427. Von der For¬ 
schung wurde erkannt, dass Bürgertum und Adel im 15. Jahrhundert zuweilen Zusammengehen, sowohl 
im literarischen, politischen als auch im kulturellen Sinn. Vgl. SCHNELL 1984, S. 214; MÜLLER 1977, 
S.- 29-77; MÜLLER 1985, S. 30; KREUTZER 1977, S. 12, 104,132,136; BECKER 1977, S. 19^203. 
197 Hierzu auch ROLOFF 1970, S. 8; STRAUB 1974, S. 25; zu Johannes Hartlieb siehe vor allem GRUBMÜL¬ 
LER 21981,Sp. 480-496. 
198 Vgl. vor allem die Studie von ROLOFF 1970; LIEFE 1920, S. 51; MÜLLER 21995, Sp. 908—914. 
199 Liefe 1920, S. 51; zur Melusine: MÜLLER 1977, S. 29-77. 
200 Liepe 1920, S. 52. 
201 LexMa VII, Sp. 985. 
202 Die Betitelung ,Herpin4 stammt von GOEDEKE 21884, S. 358. 
203 Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. pal. germ, 152, fol. lr. 
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