der beiden Künstler.686 689 Hingegen sind Proportionen und Physiognomien der Figuren bei
den Künstlern unterschiedlich: Wolfgang Beurer konzipierte sie mit runden und fülligen
Gesichtern, deren Mund meist mit einem Strich wiedergeben ist. Die Physiognomie seiner
Figuren ist eher gedrungen und kompakt, im Gegensatz zu den Figuren in den Herpin-
Zeichnungen, die grazil und schlank dargestellt sind. Ein weiterer Unterschied tritt deut¬
lich bei den Pferdedarstellungen hervor: Die Pferde Wolfgang Beurers sind in ihrer unter¬
schiedlichen Proportion von Vorder- und Hinterteil nicht schlüssig konzipiert. Charakte¬
ristisch für ihn ist weiterhin, dass das Gewicht der Reiter den Rücken der Reittiere durch¬
zubiegen scheint. Die Schweife der Pferde sind meist kupiert und mit Bändern verziert/’*
Diese Gestaltung begegnet auch schon bei den Pferden im Waldburg-Wolfegger Haus¬
buch/"** Die Pferde aus den Herpin-Zeichnungen hingegen sind in den Proportionen mit
sicherer Hand dargestellt; die kupierten und mit Bändern verzierten Schweife wurden vom
Herpin-Meister ebenfalls rezipiert,'686 doch sind die Pferdedarstellungen dermaßen unter¬
schiedlich, weil im Vergleich der Herpin-Zeichner vergleichsweise auf einen wesentlich
umfangreicheren Formenschatz zurückgriff als Wolfgang Beurer. Eine weitere Gemein¬
samkeit sind Figuren mit ausgeprägtem Stand- und Spielbein. Zudem ist in den quadrati¬
schen Holztafeln der Sebastianslegende eine ungewöhnliche Beinstellung zu finden, bei
der die Ferse des angewinkelten Beines scheinbar auf den Fußrist des Standbeines gestützt
wird. In den Herpin-Illustrationen übernahm der Zeichner diese verdrehte Beinstellung in
der Miniatur Balduin vor den Schuldnern (Abb. 9) und auf der Erlanger Altarskizze bei Ste-
phaton (Abb. 92). Weiterhin sind die über Kreuz gefesselten Hände und vor allem deren
mehrfache Umwicklung mit einem Seil eine Besonderheit Beurers: Auf der Gefangennahme
und der Hrschlagung des hl. Sebastian ist dieses Motiv zu erkennen, ähnlich bei den Hunde¬
führern auf einigen Monatsdarstellungen, die die Leine mehrfach um die Hand gewickelt
haben. In der Berliner Buchillustration wurden Weckholder die Hände ebenfalls über
Kreuz gefesselt und das Seilende hält ein Knecht zweifach umwickelt in Händen (Abb.
60). In der Kleidung gibt es ebenfalls einige übereinstimmende Elemente: Ein Mann auf
den Tafeln zum Leben des hl. Sebastian trägt eine Haube, die der Herpins äußerst ähnlich
ist, einige Reiter, unter ihnen besonders der Marschall von Florenz (Abb, 21), tragen wie
der Reiter auf einigen der Londoner Monatsdarstellungen einen mit Pelz überzogenen
Hut und einen vor das Gesicht hochgeschlagenen Kragen, der vor Staub und Kälte
schützt. Der hl. Christophorus aus der Erlanger Universitätsbibliothek (Abb. 91) ist eine
konsequente Weiterführung des Helfers auf der Tafel mit der Grablege des hl Sebastian. Bei
den Motiven ist ein allgemeiner Einfluss zu erkennen, doch von direkten Vorlagen kann
686 Bodo Brinkmann stellt die These auf, „der Meister WB könnte aus Franken stammen, bzw. dort ausge¬
bildet worden sein - oder er könnte vom Mittelrhein dorthin abgewandert sein“ (BRINKMANN 1995,
S. 154).
687 Brinkmann 1995, S. 154f.
688 Privatbesitz, Ende 15. Jahrhundert. Das Hausbuch der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg besteht aus insge¬
samt 63 Pergamentfolia; vgl. hierzu WlLHELMY 2001/2002, S. 59 und AUSST.KAT. HAUSBUCHMEISTER,
Abb. 12, Abb. 117 fol. 12a, fol. 13a, fol. 21b—22a sowie Taf. IV und V.
689 In der Herpin-Handschrift sind die Schweifformen unterschiedlich: Es gibt Pferde mit kupierten
(Abb. 24—26, 32, 34, 38—40, 43, 49—51, 54, 59 und 88), mit kupierten und mit Bändern verzierten
(Abb. 10, 17, 22, 25, 28, 30, 33, 41, 53, 61, 64f., 67, 69 und 89) sowie lange Schweife.
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