Kolbenturnier, dessen Aktionsraum wie im Berliner Codex von einem Holzzaun umgeben
ist (Abb. 28—30). Die Teilnehmer sind ebenfalls mit einem Kugelhelm gewappnet, aller¬
dings sind diese nicht durch eine Helmzier zu unterscheiden; mit kurzen Kolben wehren
sie sich, während sie mit der anderen Hand das Pferd lenken.
Ähnliche Sachkenntnis beweist der Illustrator auch bei der Darstellung des Sattelzeugs:
Die Pferde tragen in der Regel KrippensätteFls sowie Brust- und Hinterzeug"1' und sind
mit Kandaren gezäumt, die häufig über der Blesse über Kreuz gelegt sind. Das Hinterzeug
kann an den Hängeriemen und dem Brustriemen verziert sein: Bei Lewes Pferd schmückt
ein Herz mit aufgesetzter Krone die Riemen (Abb. 10). Zu den Turnieren sind die Ritter
im Stechzeug gewappnet und die Pferde im so genannten hohen Gestech"2" gesattelt. Um
das Risiko eines Sturzes während dem Turnier zu verringern, wurde der Ritter mit einem
Eisenband auf dem erhöhten Sattel befesdgt. Zum Schutz für Tier und Reiter wird den
Rössern ein Fürbug angelegt, dessen hölzerner Vorderbogen bis an die Brust des Reiters
reicht und dessen Beine bedeckt (Abb. 27—30). Alle Pferde sind fernerhin mit einer Schei¬
benkandare und einer leichten Roßstirn gezäumt, sowie mit einer Decke geschmückt, die
über die Beine der Reiter und über den Vordersteg des Sattels gezogen wird. Die leichten
Roßstirnen besitzen teilweise in der Mitte einen Kamm aus Zacken (Abb. 34 und 105)."21
Die Nasenschirme sind weit nach unten gezogen und enden in einer nach außen gewölb¬
ten Spitze. Die Augen der Pferde sind hinter Augenmuscheln geschützt. In den Schlach¬
tendarstellungen zeigte der Künsder die Pferde jedoch nicht mit dem im 15. Jahrhundert
üblichen Rossharnisch gewappnet, der aus einer Roßsdrn, einem Kanz, einem Fürbug und
einem Gelieger bestand, der sich wiederum aus dem Kruppen- und Flankenpanzer zu¬
sammensetzte,"22 sondern er gab sie gänzlich ungepanzert wieder.
Aus den dargestellten höfischen Kleidungen und Turnierrüstungen ist deutlich zu er¬
kennen, dass der Zeichner große Kenntnisse der modischen Neuerungen des ausgehen¬
den Mittelalters besaß. Die kostümkundlichen Aspekte bestätigen die in der Handschrift
eingetragene Datierung, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Zeichnungen
um 1487 entstanden sind. Auch die Vergleichsabbildungen aus dem späten 15. Jahrhun¬
dert untermauern das Datum. Die Faltenbildung der Gewänder weist nicht mehr die ge¬
rundeten Falten des weichen Stils auf, der noch am Beginn des 15. Jahrhunderts vor¬
herrschte, vielmehr wird der Faltenverlauf durch Brüche und Knicke unterbrochen. Die
puppenhaft runden Gesichter mit den kleinen Stupsnasen deuten allerdings noch auf die
de/~db/0003/bsb00035320/images/index.html?id=00035320&fip=xsxssdasxdsydweneaya&no— 19&se
ite=241 (zuletzt zugegriffen am 15.01.2012, um 14:08 Uhr). Vgl. hierzu auch PETZET 1920, S. 273f.
518 Zur Entwicklung dess BoEHEIM 1966, S. 198f.; AUSST.KAT. RITTERWELTEN, Kat.-Nr. 26, S. 231-233.
519 Gamber 1991, Sp. 31 und KAISER 1991, S. 130.
520 Gamber 1966, S. 526 mit Fig. 614f.
521 Vgl. Abb. 34 und SCHUCKELT 1994/1995, S. 19 Abb. 22; Nickel 1974, S. 149.
522 Zur Geschichte und Entwicklung des spätmittelalterlichen Roßharnischs, der zwischen 1450 und dem
Ende des 16. Jahrhundert seine Blütezeit in Europa hatte, vgl. SCHUCKELT 1994/1955, S. 7—30, hier bes.
S. 14f.; BOEHEIM 1966, S. 216-223; GELBHAAR 1996, S. 5-14, bes. S. 12-14; BREIDING 2005, S. 13 mit
Fig. 7.
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