weiblich. Sämtliche Frauen waren hier als Tagelöhnerinnen eingesetzt, somit leicht wieder
kündbar.301 Auch Kriegsgefangene kamen im Werk zum Einsatz.302
Die spärliche Quellenlage lässt keine sicheren Aussagen über die Entwicklung der
Qualifikationsstruktur während des Krieges zu. Anzunehmen ist, dass sich unter den zahl¬
reichen Einberufungen zum Militär auch etliche Facharbeiter befanden. Andererseits be¬
stand für die kriegswichtigen Unternehmen die Möglichkeit, Facharbeiter zu reklamieren.
So fanden sich in besagter Stichprobe aus dem Jahr 1916 etliche gelernte Arbeiter, etwa
Schlosser, Schreiner oder Schmiede. Andererseits ist die hohe Zahl an Tagelöhnern auffäl¬
lig: Neben den 45 Frauen tauchen in der Lohnliste weitere 115 Personen auf, die zeitweise
oder durchgehend als Tagelöhner beschäftigt waren, von denen also zu erwarten ist, dass
sie ungelernt waren. Das heißt also, fast die Hälfte der in der ersten Schicht des Stahlwerks
beschäftigten Personen waren Tagelöhner, hinzu kamen weitere dezidiert ungelernte Tä¬
tigkeiten (wie Aufräumer oder Efandlanger). Die Zahl der beschäftigten Kriegsinvaliden
war mit fünf überschaubar. Des Weiteren machte sich die kriegsbedingte Mobilität be¬
merkbar: Die Liste führte für Juli 1916 185 Personen; in den folgenden fünf Monaten wur¬
den durchschnittlich 25 Neueinstellungen gezählt, das heißt die Quote der Neuzugänge
im Vergleich zur Ausgangszahl von 185 lag bei 13,5 Prozent.303 Die Arbeitsbedingungen
dürften sich insgesamt, angesichts der Personalreduktion bei gleichzeitig steigenden Rüs¬
tungsanstrengungen und Verschlechterung der allgemeinen Lebensbedingungen, negativ
entwickelt haben. Mit einem deutlichen Anstieg cf er Arbeitsintensität ist zu rechnen. Alles
in allem lässt sich festhalten, dass die Kriegssituation massive Auswirkungen auf die Beleg-
schaffsstruktur und die Arbeitssituation im Neunkircher Hüttenwerk hatte.
Die Hüttenleitung bemühte sich darum, ihren Arbeitern Sonderrationen an Nah¬
rung zukommen zu lassen. Als Agent fungierte dabei der von der Hüttenleitung initi¬
ierte und kontrollierte Nationale Hüttenverein. Im Februar 1917 beispielsweise verteilte
der Verein verschiedene Nahrungsmittel, darunter Handkäse, Runkelrüben, braune
Bohnen, Wurstwaren, Eier, Milch, Margarine, Speck, Erbsen, Haferflocken, Weizen¬
mehl, Graupen sowie Weizen- und Gerstenmehl. Erste Empfänger waren Schwerst-,
Schwer- und Feuerarbeiter. In den Werksräumlichkeiten, wo die Unternehmensleitung
die Kontrolle wahrnehmen konnte, wurden die Waren nicht kostenlos, aber verbilligt
gegen Lebensmittelkarten an den Mann gebracht.30' Auch wenn die Waren nicht all¬
zu reichlich vorhanden waren und auch die Qualität nicht die Allerbeste gewesen sein
dürfte: Es zeigt sich doch, dass die Arbeiter in den kriegswichtigen Industrien gewisse
Privilegien gegenüber den Beschäftigten kriegsferner Branchen genossen.10'1 Die Be¬
vorzugung mancher Teile der Belegschaft löste mitunter auch Unmut aus, wie aus den
301 Werte errechnet nach: Lohnlisten Stahlwerk NE, 2. Jahreshälfte 1916.
302 Vgl. Sander 200s, S. 301.
303 Alle Angaben siehe ebd.
104 Siehe Nationaler Hüttenverein NE: StA Nk, Best, Akten AI, Nr. 482-1, S. 14.
303 Vgl. Ullrich 1992, S. 223.
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