zu sein scheint.24' Seit 1903 wirkte der katholische Arbeiterfunktionär Bartholomäus
Koßmann, der 1912 für das Zentrum den ehemals Stummschen Wahlkreis Ottweiler-
St. Wendel-Meisenheim erobern sollte, als Sekretariatsleiter des lokalen katholischen
Arbeitervereins. 1909 zog Koßmann in den Neunkircher Gemeinderat ein.248 Bereits
seit 1867 existierte in Neunkirchen ein Kolpingverein, der sich sozialen und kulturellen
Zwecken widmete.249
Hans Horch ist für den Zeitraum vor 1914 mit Blick auf Neunkirchen insgesamt
zuzustimmen, wenn er schreibt: „Die breitgefächerte Vereinskultur der Arbeiterbewe¬
gung [...] hatte im Saarrevier nie eine Chance. Dieses Gebiet war längst okkupiert, als
die ersten sozialdemokratischen Agitatoren anreisten.“2*1 Schon einige Jahre vor der
Entstehung des kleinen sozialdemokratischen Ortsvereins und lange bevor sozialdemo¬
kratische Vorfeldvereine sich halbwegs etablieren konnten, waren der katholische Ar¬
beiterverein und viele andere, sozial gemischte Organisationsformen ins Leben gerufen
worden. Der Katholizismus stellte ein Partizipationsangebot bereit, das von den Ar¬
beitern in gewissem Umfang angenommen wurde. Dabei wohnte ihm in der Tradition
des Kulturkampfes, stellt man die soziopolitischen Gegebenheiten an der Saar in Rech¬
nung, trotz der dezidiert wirtschaftsfriedlichen Gesinnung eine durchaus oppositionelle
Stoßrichtung inne. Dies bestätigt sich beim Blick auf die Reaktionen der Obrigkeit. Der
Ottweiler Landrat schätzte den Charakter der katholischen Arbeiterbewegung um 1906
folgendermaßen ein: „Ob die katholischen Arbeitervereine zur sozialdemokratischen
Richtung hin neigen, darüber hat sich bis jetzt eine bestimmte Ansicht noch nicht ge¬
winnen lassen. Dass dies aber von den christlichen Gewerkschaften angenommen wer¬
den kann, erscheint nicht mehr zweifelhaft.“251 Eine Partizipation an den katholischen
Arbeitervereinen wurde, genau wie die Teilhabe an der Sozialdemokratie, als potenziell
widersetzlicher Akt interpretiert.
In der nahezu ausnahmslos katholischen Stadt Düddingen erfuhr auch das Kir¬
chenwesen durch die Industrialisierung und das Stadtwachstum beachtlichen Auf¬
trieb. Schon im Verlauf der 1880er Jahre wurde das alte Kirchengebäude den gestie¬
genen Ansprüchen nicht mehr gerecht und ab 1893 durch ein neues, größeres ersetzt.
Prozessionen und katholisches Brauchtum gehörten zum städtischen Alltag.252 Im
Jahre 1906 fand eine christlich-soziale Versammlung in Düddingen statt. Die Ver¬
sammlungsleiter arrangierten sich dazu im Vorfeld mit der Hüttenleitung, was ihre
wirtschaftsfriedliche und systemloyale Haltung belegt und ihnen die Kritik der Frei¬
24 Vgl. Chronik von Neunkirchen, 5. Jg. Nr. 3,1913, S. 20.
21(8 Vgl. Bost, Reinhold: Bartholomäus Koßmann. Christ - Gewerkschaftler - Politiker 1883-1952,
Blieskastel 2002, Blieskastel 2002, S. 32-35; Ebenau 2005, S. 226.
249 Vgl. Mankel 2005, S. 249.
250 Horch 1985, S. 402.
251 Zitiert nach Ebenau 2005, S. 226.
252 Vgl. dazu Conrardy/Krantz 1991, bes. S. 194 f.
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