wesen bildete nur zum Teil sozial gemischte Organisationsformen aus, zum Teil aber
wurden spezifische Sozialgruppen innerhalb des Katholizismus exklusiv bedient, so in
den katholischen Arbeitervereinen. Besonders katholische Arbeitervereine entstanden
- mit einigen Vorläufern - seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und erfüllten
innerhalb des katholischen Milieus verschiedenartige Funktionen: Neben der Seelsorge
und der Anbindung an die Gemeinde - also direkt religiösen Funktionen - verfolgten
die katholischen Arbeitervereine einen Bildungs- und Erziehungsauftrag und förderten
überdies die Geselligkeit. Nicht zuletzt hatten die katholischen Arbeitervereine einen
- im Sinne der katholischen Soziallehre und der päpstlichen Enzyklika rerum nova-
rum - sozialen Auftrag. Über die sogenannte ,Präses-Verfassung*, die den katholischen
Geistlichen vor Ort den Vorsitz in den lokalen Arbeitervereinen zugestand, waren die
Vereine direkt eingebunden in die kirchliche Hierarchie, gleichwohl man sich immer
wieder Autonomieräume sichern konnte.238 Die katholischen Arbeitervereine fanden
weite Verbreitung und in manchen Industriegemeinden wie etwa dem Gelsenkirchener
Stadtteil Schalke oder in Duisburg entstand eine breite katholische Infrastruktur zur
Anbindung der Arbeiterbevölkerung.239 Die katholischen Arbeitervereine hatten dane¬
ben auch einen politischen Auftrag, fungierten sie doch „als Gegengewicht zu den po¬
litischen Ansprüchen und neuen Sozialisationsformen der freien Arbeiterbewegung“.
Der Katholizismus trat also in Form von Vereinen und Gewerkschaften in Konkurrenz
zur sozialdemokratischen Organisation.240
Obwohl Sigrid Philipps feststellt, die katholische sei gegenüber der freien Arbeiter¬
bewegung „quantitativ unbedeutend“ geblieben und die Attraktivität der katholischen
Arbeitervereine sei für die katholischen Arbeiter und Arbeiterinnen „nicht sonderlich
groß gewesen“,241 boten das Saarrevier und das luxemburgische Minettebassin durchaus
fruchtbare Böden. So entstanden gerade in der Saarregion verschiedenste katholische
Vereine unterschiedlichen Inhalts, die christlichen Gewerkschaften fassten allerdings
238 Vgl. Rauh-Kühnf. 1991, S. 311-336.
239 Das Schalker Beispiel bei Brandt 1980. Das Duisburger Beispiel bei Horstkötter, Ludger:
Verschiedene Aspekte der katholisch-sozialen Arbeiterbewegung in Duisburg bis zur Weimarer Repub¬
lik (unter besonderer Berücksichtigung des Gewerkschaftsführers und Zentrumspolitikers Franz Wie-
ber), in: Heid, Ludger/ScHOEPS, Julius H. (Hrsgg.): Arbeit und Alltag im Revier. Arbeiterbewegung
und Arbeiterkultur im westlichen Ruhrgebiet im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Duis¬
burger Forschungen, Bd. 33), Duisburg 1985, S. 121-143, hier S. 121-128. Allgemein zu den katholischen
Arbeitervereinen vgl. SCHNEIDER 1986, S. 486-491. Für das Ruhrgebiet liegt eine neuere Studie vor:
Bachem-Rehm, Michaela: Die katholischen Arbeitervereine im Ruhrgebiet 1870-1914. Katholisches
Arbeitermilieu zwischen Tradition und Emanzipation (Konfession und Gesellschaft, Bd. 33), Stuttgart
2004.
2'*° Vgl. Philipps 1984. Zitat S. 103. Im Ruhrgebiet wurden nach den Wahlerfolgen der SPD im Jahre
1903 die katholischen Bemühungen um das Arbeitervereinswesen intensiviert. Vgl. Bachem-Rehm
2004, S. 165-168.
241 Philipps 1984, S. 120.
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