bemessenen arbeitsfreien Zeit blieb nur ein bestimmter Handlungsspielraum für die
Freizeitgestaltung. Außerdem wurde in den Kriegervereinen ein zentrales Bedürfnis, das
dem Vereinswesen allgemein zum Aufschwung verhalf, nämlich das Verlangen nach ge¬
sellschaftlicher Partizipation, wenigstens pro forma befriedigt. Mehr noch: Durch Mit¬
gliedschaft in den staatlich protegierten Kriegervereinen wähnten sich auch die sonst
partiell marginalisierten Arbeiter als voll integrierte Mitglieder der Gesellschaft.
Konkurrierende Angebote zu etwaigen Organisationsversuchen durch die institutio¬
nalisierte Arbeiterbewegung offerierten ferner auch die Hüttenunternehmen selbst. Die
breite Freizeit- und Kulturpolitik des Neunkircher Eisenwerks, die sich unter anderem
in Vereinsgründungen wie dem Nationalen Hüttenverein oder dem Verein „Die Werk¬
stätte“ niederschlug, wurde in Kapitel IV bereits erläutert. In Düddingen schien sich
die betriebliche Freizeit- und Kulturpolitik eher indirekt abzuspielen, indem die Hütte
gewissermaßen als Mäzen verschiedener Vereine auftrat. Die frühen Düdelinger Fu߬
ballvereine etwa, in denen sicherlich zahlreiche Hüttenarbeiter aktiv waren, profitierten
massiv von der betrieblichen Förderung, indem sie auf werkseigenem Gelände spielen
durften und auch ansonsten Sponsorenleistungen entgegen nahmen.235 Außer in dem
überaus populären Bereich des Fußballs engagierte sich das Unternehmen auch auf an¬
deren Feldern. 1903 wurde in Düddingen eine Sektion des Obst- und Gartenbauvereins
„Le Coin de Terre et le Foyer - Garten und Heim“ gegründet. Uber dessen Entwick¬
lung heißt es in der Düdelinger Stadtchronik von 1957: „Die Mitgliederzahl wuchs sehr
schnell an, da die Arbeiter bald den sozialen, erzieherischen und gesundheitlichen Wert
der Vereinigung erkannt hatten.“ Zu überprüfen sind diese Aussagen und die soziale Zu¬
sammensetzung des Vereins freilich nicht. Uber die Hüttendirektion hieß es allerdings,
sie hätte „sehr viel Land zu einem Vorzugspreise zur Verfügung gestellt“.236 * Es ist davon
auszugehen, dass dieser Verein durchaus stark von Hüttenarbeitern frequentiert wur¬
de, denn die freizeitpolitischen Anstrengungen der Betriebsleitung erfolgten ja aus kla¬
rem Kalkül: Man wollte über die Arbeit im Betrieb hinaus Einfluss auf ,seine' Arbeiter
nehmen, nicht zuletzt auch Alternativen bieten zur andernorts bereits im Durchbruch
befindlichen emanzipatorischen Arbeiterbewegung. Die Vereine erhielten dann Unter¬
stützung von Seiten des Betriebes, wenn die Unternehmer sich einen effektiven Einfluss
auf ihre Beschäftigten versprachen, und dies wiederum war nur gewährleistet, wenn die
Hüttenarbeiter sich in ausreichender Zahl in den jeweiligen Vereinen engagierten. Be¬
sagter Obst- und Gartenbauverein war hier wohl nur ein Fall, der exemplarisch eine
breitere betriebliche Freizeitpolitik repräsentierte.
Von außerordentlich großer Bedeutung waren im Untersuchungszeitraum die kon¬
fessionellen, das heißt vor allem die katholischen Vereine.23 Das katholische Vereins¬
235 Vgl. Blau 2.007a, S. 183 f.; Conrardy/Krantz 1991, S. 311 f.
236 Vgl. Robert 1957, S. 118. Zitate ebd.
23 Siehe noch einmal Kap. V.i.
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