Wurzeln und Grundlagen des Gebietes diskutiert.2 Die Großregion, „eine Konstruktion
des zo. Jahrhunderts“, könne zwar auf ein „verbindendes kulturelles Erbe verweisen“, das
bis in die Antike zurückreiche, vielmehr noch aber habe die ökonomische Entwicklung
Pate gestanden bei ihrer Definition. Zutreffend und mit Gespür für die historischen
Realitäten des Raumes fahren die Autoren fort, Saar-Lor-Lux sei „vor allem ein Kind
der Industriellen Revolution“.3 Die besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
immer stärker expandierende Industrie verlieh dem Saarrevier und - zeitlich etwas ver¬
setzt - dem Großherzogtum Luxemburg ihre charakteristische Gestalt. Lange vor seiner
politischen Einigung, die erst nach dem Ersten Weltkrieg vollzogen wurde, gewann das
Saarrevier durch seine wirtschaftliche Entwicklung relative Geschlossenheit, während
sich das Großherzogtum Luxemburg nur dank des wirtschaftlichen Aufschwungs von
einem ärmlichen Auswanderungsland zu einem Staat mit Zukunftsperspektive entwi¬
ckelte.
1.1 Die Industrialisierung des Saarreviers
Wenn von der Industrialisierung des „Saarreviers“ die Rede ist, so sollte man sich zu¬
nächst über die geographische Bezugsgröße Klarheit verschaffen. Für die Zeit vor dem
Ende des Ersten Weltkriegs vom „Saarland“ zu sprechen, ist zumindest in politischer
Hinsicht anachronistisch, entstand das heutige Bundesland als administrative Ein¬
heit doch erst mit dem Inkrafttreten des Saarstatuts am 10. Januar 192.0.4 5 Folgerichtig
definiert Ralf Banken, der wohl profilierteste Historiker der Industrialisierung an der
Saar, das Gebiet nach ökonomischen Kriterien, indem er das „Vorhandensein einer
homogenen Wirtschaftsstruktur“, zum zentralen Maßstab der geographischen Ein¬
grenzung erhebt. Auch Hans-Walter Herrmann betont die „raumbildenden Impulse
der Wirtschaft“ und umreißt mit dem Begriff des Saarreviers die Industriestandorte
mit den umliegenden Arbeiterwohngebieten.6 Entsprechend ist die territoriale Her¬
ausbildung des heutigen Saarlandes aufs engste verknüpft mit der Industrialisierung.
2 Linsmayer, Ludwig (Hrsg.): 500 Jahre Saar-Lor-Lux. Die Kartensammlung Fritz Hellwig im Saar¬
ländischen Landesarchiv (Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Quellen und
Inventare Bd. 2), Saarbrücken 2.010.
Alle Zitate ebd., S. 114.
4 Vgl. Behringer, Wolfgang/CLEMENS, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 1009, S. 94.
5 Banken, Ralf: Die Industrialisierung der Saarregion 1815-1913, in: Pierenkempf.r, Toni (Hrsg.):
Die Industrialisierung europäischer Montanregionen im 19. Jahrhundert (Regionale Industrialisierung,
Bd. 3), Stuttgart 2002, S. 59-101, hier S. 60.
6 Herrmann, Hans-Walter: Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende (1871-1918),
in: Herrmann, Hans-Walter (Hrsg.): Das Saarrevier zwischen Reichsgründung und Kriegsende
(1871-1918). Referate eines Kolloquiums in Dillingen am 29./30. September 1988 (Veröffentlichungen
der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Bd. 18), Saarbrücken 1990,
S. 9-39, hier S. 11 f., Zitat S. 12.
Paul Burgard stellt in einer neueren Darstellung der saarländischen Geschichte heraus, dass die Indus-
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