ekelten, welche Bedeutung dabei der Hüttenindustrie zukam und aus welchen Quellen
sich die im Zuge von Industrialisierung und Urbanisierung überhaupt erst entstehende
Arbeiterbevölkerung speiste (Teil A). Zunächst werden Entstehung und Entwicklung
beider Hüttenwerke im Untersuchungszeitraum nachgezeichnet. Es soll gezeigt werden,
wie sich beide Betriebe bis zur Jahrhundertwende zu integrierten oder gemischten Ei¬
sen- und Stahlwerken entwickelten und welche unterschiedlichen Pfade sie dabei ein¬
schlugen. Sodann wird die Urbanisierung beider Gemeinden, das heißt ihr Werdegang
von agrarisch geprägten Dörfern zu Industriestädten, diskutiert. Es stellt sich die Frage,
inwiefern man beiderorts von Hüttenstädten sprechen kann, welchen Einfluss die Wer¬
ke also aut die Verstädterung und das Stadtbild nahmen (Kap. I). Anschließend stehen
in Kapitel II die Zuwanderung nach Neunkirchen und Düdelingen, ihre charakteristi¬
schen Muster und Formen sowie mögliche Folgeerscheinungen der Migrationsprozesse
hinsichtlich der Binnenstruktur und der mentalen Dispositionen der Arbeiterpopulati¬
onen im Mittelpunkt. Zur Frage der Genese der lokalen Arbeiterbevölkerungen als Fol¬
ge verstärkter Migrationsbewegungen liegen im Stadtarchiv der Kreisstadt Neunkirchen
(StA Nk) für den Zeitraum zwischen 1860 und 1911 die bis dato weitgehend unerschlos-
senen Neunkircher Fremdenbücher vor.10 * Sie erfassen die zugezogenen Personen nach
persönlichen Daten (Namen, Alter, Konfession), nach Berufsstand und nach Herkunft.
Da sowohl der Geburtsort als auch der Arbeitsplatz genannt werden, lässt sich die regi¬
onale Provenienz der Neunkircher Hüttenarbeiter in ihren Grundzügen nachzeichnen.
Im Gegensatz zum Neunkircher Fall wurde die Frage der Herkunft der Industriearbeiter
auf Düdelinger Seite schon intensiv diskutiert, sodass die Studie hier an bestehende Ar¬
beiten anknüpfen kann.108 Außerdem informieren hier verschiedene werksinterne Sta¬
tistiken über die Herkunft der Belegschaft.109
Teil B legt die Grundlagen von Hüttenarbeiterexistenzen im späten 19. und frühe¬
ren 2.0. Jahrhundert offen, indem zunächst die zentralen Gesichtspunkte der Arbeit im
integrierten oder gemischten Hüttenbetrieb aufgezeigt und hinsichtlich möglicher Fol¬
geerscheinungen für Verhaltensweisen, mentale Dispositionen und Bewusstseinsstruk¬
10 Die Fremdenbücher sind nach Buchstaben gegliedert und pro Buchstabe in zwei Bände geteilt. Der
erste Band umfasst dabei jeweils den Zeitraum von 1861-1900, der Zweite die Phase von 1901-1911.
Ausgewertet wurden hier exemplarisch die Buchstaben A und M, die eine zuverlässige Stichprobe ver¬
sprechen. Neunkircher Fremdenbücher, Buchstabe^, 1861-1900; Neunkircher Fremdenbücher, Buchsta¬
be A, 1901—1911; Neunkircher Fremdenbücher, Buchstabe M, 1861-1900; Neunkircher Fremdenbücher,
Buchstabe Ivi, 1901-1911. Der gesamte Bestand in: StA Nk, Best. Akten.
,lls Vgl. u.a. Gallo, Benito: Les Italiens au Grand-Duché de Luxembourg. Un siècle d’histoires et de
chroniques sur l’immigration italienne, Luxemburg 1987, S. 112-132; Conrardy/Krantz 1991, S. 173—
188; Blau, Lucien: Mémoire individuelle, mémoire collective, in: Ville de Dudelange (Hrsg.):
Centenaire Diddeleng 1907-2.007, Düdelingen 2007, S. 28-43. Außerdem sind in den Stammlisten und
anderen Werksdokumenten immer wieder Informationen über die Herkunft der Arbeiter zu finden.
109 So etwa eine im Nationalarchiv Luxemburg (Bestand Arbed) überlieferte Statistik unter der Signa¬
tur AnLux, ADU-U1-93.
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