duellen Akteure sind in allen Feldern mit spezifischen Handlungsressourcen ausgestat-
tet, sie unterliegen aber in ihrem Handeln jeweils bestimmten Strukturen, Regeln und
Mechanismen, welche das Feld vorgibt. Die Strukturen wirken bis zu einem gewissen
Grad handlungsleitend. Die Handlungsfelder sind damit Orte der „Strukturierung von
Handlungsmustern“* 88, in denen zeitstabile, inkorporierte und felderübergreifend wirk¬
same Verhaitensdispositionen („Habitus“89) ausgebildet werden. Zugleich aber sind es
die Akteure selbst, die durch ihre Handlungen die Strukturen schaffen und auch ge¬
gebenenfalls modifizieren.90 Zwar greifen in den einzelnen Handlungsfeldern jeweils
spezifische Regeln und Mechanismen, aber sie sind eng ineinander verschränkt und es
bestehen reziproke Wechselverhältnisse: Die Position eines Akteurs in einem Feld, die
durch den Erwerb ökonomischer, sozialer und symbolischer Kapitalien definiert ist,
präfiguriert die Konstellationen in anderen Feldern.
Überträgt man diese abstrakt theoretischen Erwägungen auf die Eisen- und Stahl¬
industrie, so lassen sich drei wesentliche Handlungsfelder erkennen: die Sphäre der Pro¬
duktion, das heißt die Arbeitswelt im Betrieb, die außerbetriebliche Lebenswelt sowie die
politisch-organisatorische Sphäre, das heißt der Zusammenschluss und die Organisation
von Interessen in Parteien oder Gewerkschaften. Im Betrieb, in der Industriegemeinde
und im Kampf um politische Partizipation galten jeweils eigene Regeln und es grif¬
fen spezifische Mechanismen, sie standen aber als Einzelfelder eines größeren sozialen
Raums in einem umfassenden Zusammenhang: Es bestanden „Beziehungsmustcr und
Wechselwirkungen in den Konstellationen zwischen dem Betrieb, der außerbetrieblichen
(privaten) Lebenswelt und der organisatorisch-politischen Sphäre“.91 Entsprechend kön¬
nen Hüttenarbeiterexistenzen im Zeitalter der Industrialisierung nur in vollem Umfang
dargestellt, analysiert und bewertet werden, wenn sich die Untersuchung auf allen drei
Ebenen bewegt. Eine Art,Klammer1 bildeten die ökonomisch, sozial und auch politisch
potenten Hüttenunternehmen. Sie setzten nicht nur die Regeln und Handlungsbedin¬
gungen innerhalb des Betriebs, sondern übten auch jenseits der Fabrikmauern eine enor¬
me Strahlkraft aus. Die Eisen- und Stahlarbeiter bewegten sich innerhalb der Grenzen,
weiche die Unternehmer setzten. Zugleich aber werden die Hüttenarbeiter als soziale
Akteure mit eigenen Handlungsressourcen und einem auf die Erhaltung von Autono¬
kus: Pierre Bourdieu zur Einführung, Hamburg szoo9, S. 59-ioz; außerdem Reichardt, Sven: Bour¬
dieu für Historiker? Ein kultursoziologisches Angebot an die Sozialgeschichte, in: Mergel, Thomas/
Welskopp, Thomas (Hrsgg.): Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theorie¬
debatte, München 1997, S. 71-93.
88 Welskopp 1994b, S. 64.
89 Den Habitusbegriff nach Bourdieu erläutert Schwingel 6zoo9, S. 59-81.
9U Vgl. dazu Welskopp, Thomas: Die Dualität von Struktur und Handeln. Anthony Giddens’ Struk¬
turierungstheorie als „praxeologischer“ Ansatz in der Geschichtswissenschaft, in: Suter, Andreas/
Hettling, Manfred (Hrsgg.): Struktur und Ereignis (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 19),
Göttingen zooi, S. 99-119, bes. S. 103-111.
91 Welskopp 1993, S. 46.
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