tenden Positionen hingegen hielten die Führungskräfte aus Arbeiter- und Privatbeam¬
tenschaft. Die strukturellen Fraktionen der Hüttenbelegschait, die Gefälle, Risse und
Differenzierungslinien haben sich in diesen Einrichtungen scheinbar fortgesetzt, sie
bewirkten damit eher das Gegenteil ihrer Pendants im Bergwesen: Nicht eine die ge¬
samte Branche erfassende Identitätsbildung war das Resultat, sondern eine partielle Ab¬
schottung brancheninterner Führungsschichten gegenüber einem Großteil ihrer Kolle¬
gen beziehungsweise die Zementierung ihrer Führungsrolle auch über den Arbeitsplatz
im engeren Sinne hinaus. Die führenden Arbeitskräfte zeichneten sich innerhalb des
betrieblichen Handlungsfelds durch eine herausgehobene Position sowie distanzierte
Verhaltensweisen aus. Diese im Betrieb vorgeprägten Verhaltensmuster setzten sich in
Einrichtungen wie den beiden aufgeführten Vereinen fort.
Eine weitere für das Zeitalter der Industrialisierung typische Erscheinung war dem
Hüttenwesen und dem Bergbau gleichermaßen zu eigen: die hohe Fluktuation. Aller¬
dings konnten häufige Betriebs- und Ortswechsel von den Bergleuten leichter kompen¬
siert werden, da man auch in einem fremden Bergwerk die gleiche Arbeitssituation vor¬
fand. Zudem teilten die Bergleute verschiedener Werke und Reviere ein gemeinsames,
postständisches Berufsbewusstsein. Beides fehlte für die flottierenden Hüttenleute. Sie
wurden möglicherweise in einem ungewohnten Teilbetrieb mit einer für sie unbekann¬
ten Aufgabe betraut, zu den neuen Kollegen existierten auch sonst keinerlei Verbin¬
dungslinien. So hatte die Fluktuation im Hüttenwesen ungleich schärfere Auswirkun¬
gen. Im Mittelpunkt des folgenden Unterkapitels stehen die in ihren Ausmaßen, Formen
und Folgen zu diskutierenden inner- wie außerbetrieblichen Arbeitsplatzwechsel.
2.2 Fluktuation, Binnenmobilität und Verstetigung der Belegschaft
Mobilität war während der Industrialisierung ein nahezu omnipräsentes Phänomen.
Gerade in den industriellen Großbetrieben herrschte ein ständiges Kommen und Ge¬
hen, viele Arbeiter verweilten nur wenige Wochen, bisweilen sogar nur wenige Tage an
einem Arbeitsplatz. Die Gründe dafür sind vielfältig und teils in der Motivationslage
der Arbeiter selbst zu suchen, teils in der Struktur der jeweiligen Branche oder des Ar¬
beitsmarkts, teils aber auch im Charakter der jeweils zu verrichtenden Arbeit. Häufig
wurde vor allem den ungelernten Arbeitern eine erhöhte Mobilitätsrate attestiert: Die
Ungelernten reagierten - so die Annahme - mit häufigen Arbeitsplatzwechseln auf
widrige Arbeitsbedingungen oder wurden, aufgrund ihrer prinzipiellen Austausch¬
barkeit, erstes Opfer konjunktureller Verschlechterungen und damit einhergehender
Entlassungen. Sie stellten, so eine häufig gebrauchte Wendung, den „Flugsand der
Industrialisierung“.30 Hermann Schäfer hingegen kommt in einer Untersuchung über
30 Zitiert nach Schomerus, Heilwig: Saisonarbeit und Fluktuation. Überlegungen zur Struktur der
mobilen Arbeiterschaft 1850-1914, in: Conze, Werner/ENGELHARDT, Ulrich (Hrsgg.): Arbeiter im
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