untersuchenden Industrierevieren beziehungsweise -gemeinden - in Neunkirchen und
im Saarrevier freilich in ungleich höherem Maße - neben der Eisen- und Stahlindustrie
von zentraler Bedeutung war, bietet er sich als Vergleichsfolie an. Wie die stichproben¬
artigen Sozialstrukturanalysen in Kapitel I ergaben, lebten 1888 mindestens 1.059, I9Z7
mindestens 2.320 Bergleute in Neunkirchen.2 9 Im Saarrevier insgesamt beschäftigte der
Bergbau stets wesentlich mehr Menschen als die Hüttenbetriebe.280 In Luxemburg be¬
schränkte sich das Bergwesen auf den Erzbergbau, daher blieb es in seiner Bedeutung
gegenüber dem Hüttenwesen zurück beziehungsweise war ein konstitutiver Bestandteil
davon. Allerdings war der Erzbergbau auch hier zweiter Leitsektor.281 Bergbau und Hüt¬
tenwesen standen insgesamt in einem engen synergetischen Zusammenhang.282
Die Arbeitswelt des Bergmanns ähnelte wohl in einigen Punkten derjenigen des
Hüttenarbeiters: Auch der Bergarbeiter musste sich den Prinzipien industrieller Arbeit
im zentralisierten Großbetrieb fügen, war Objekt einer umfassenden (Arbeits-)Diszi-
plinierung und musste körperliche Schwerstarbeit verrichten, die zudem einherging
mit einem beträchtlichen Gefahrenpotenzial. Die zahlreichen Grubenunglücke spre¬
chen für sich. Außerdem ähnelten sich die Rekrutierungsmechanismen: Die Arbeiter
im Saarbergbau entstammten ebenfalls zu einem großen Teil dem ländlichen Milieu,
während die starke Präsenz der,Ruhrpolen und der Masuren im Ruhrbergbau durchaus
Ähnlichkeiten aufwies mit der italienischen Zuwanderung nach Düdelingen. Auch die
Ruhrpolen bildeten eine in vielerlei Hinsicht exzeptionelle Gruppe innerhalb der loka¬
len beziehungsweise regionalen Arbeiterschaft.283
Allerdings unterschied sich die Arbeitswelt des Bergmannes von der des Hüttenar¬
beiters in fundamentalen Punkten, vor allem in der Belegschaftsstruktur. Auch wenn im
Zuge der marktwirtschaftlichen Expansion des Grubenwesens und dem damit verbun¬
denen Wachstum der Betriebe eine Differenzierung in gewissem Umfang stattfand - zu
nennen wäre die steigende Zahl an Grubenhandwerkern - blieben zwei Berufsgruppen
dominant: die Hauer und die Schlepper. Sie bildeten das Rückgrat des Bergbetriebs.284
Der technologische Fortschritt und die mit ihm verbundene Arbeitsteilung erfolgten
: 9 Siehe dazu noch einmal die beiden ausgewerteten Adressbücher: Neunkircher Adreßbuch 1888,
S. 103!., S. 127-206, S. 217 f.; Einwohnerbuch (Adreßbuch) des Saargebietes 1927, S. 419-497. Da nur
die Haushaltsvorstände aufgeführt wurden, handelt es sich um Mindestzahlen.
250 Vgl. Banken 2002, S. 94 (diachron vergleichende Statistik der Beschäftigungsverhältnisse aller In¬
dustriebranchen des Saarreviers).
251 Vgl. Rathgeber 1936, S. 1 f. 1928 waren in der Eisen- und Stahlindustrie Luxemburgs 25.172 Perso¬
nen beschäftigt, im Erzbergbau 5.560. Vgl. ebd., S. 2.
282 Vgl. Buschmann 1989, passim.
283 Zu den Bergarbeitern allgemein vgl. Tenfelde 1977, S. 224-230 (Arbeitsgefahren), S. 230-246
(soziokulturelle Provenienz) und S. 273-282 (industrielle Fabrikdisziplin). Zu den Saarbergarbeitern
vgl. Mallmann/Steffens 1989, bes. S. 59-68 (Arbeitserfahrung). Was die Herkunft der Bergleute
betrifft, gelten grosso modo die gleichen Befunde, wie sie für die Hüttenarbeiter getroffen wurden. Vgl.
u.a. Läufer 1981, S. 137 f.
lu Vgl. Tenfelde 1977, S. 219 f.
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