ren fließend - die Arbeiter sowohl hinsichtlich der korrekten Arbeitsverrichtung20 als
auch hinsichtlich des allgemeinen Wohlbetragens zu beaufsichtigen und gegebenenfalls
Sanktionen zu verhängen. Paragraph 7 der Düdelinger Fabrikordnung {règlement de ser¬
vice) vom 1. Januar 1891 sah vor: „La direction ou ses employés ont le droit de punir les
délits des ouvriers d’une amende, du renvoi temporaire ou de l’exclusion définitive. Les
ouvriers doivent se soumettre aux peines qui leur sont infligées [...].“21 Die Angestellten
und Privatbeamten waren Träger eines innerbetrieblichen Herrschaftssystems, dessen
Regeln sich in der Theorie jeder einzelne zu unterwerfen hatte. Kodifiziert wurden diese
Herrschaftsstrukturen in Fabrik- beziehungsweise Arbeitsordnungen oder Disziplinar-
reglements, wie sie in nahezu allen Unternehmen, nicht zuletzt auch in Düdelingen und
in ganz besonders elaborierter Form in Neunkirchen, zu finden waren. „Arbeitsordnun¬
gen“, so Bernd Flohr, „sind schriftlich fixierte Arbeitsbedingungen und Verhaltensan-
sprüche des Arbeitgebers in Form von Geboten und Verboten, deren Geltung mit dem
Bestehen eines Arbeitsverhältnisses [...] unabdingbar verkoppelt ist“.22
In den Arbeitsordnungen manifestierte sich der Anspruch des Unternehmers auf
eine folgsame und zugleich - das sollte keineswegs vergessen werden - produktive
Belegschaft: Der Arbeiter sollte während der Arbeitszeit seine gesamte Energie in die
Produktion investieren, so letztlich zur Profitmaximierung des Unternehmens beitra¬
gen. Entsprechend heißt es in der Neunkircher Allgemeinen Arbeitsordnung von 1891:
„Mit der Annahme als Arbeiter übernimmt der Eintretende die Verpflichtung, die ihm
übertragenen Arbeiten mit Fleiß und Sorgfalt auszuführen, den Vorteil des Werkes nach
besten Kräften zu wahren und zu fördern und alles zu vermeiden, was die Arbeit und
Ordnung auf dem Werk stören und demselben Nachteile bringen könnte?23 Die Diszi¬
plin wird nicht zum Selbstzweck erhoben, sondern aus funktionalen Gesichtspunkten
eingefordert. Insofern scheint es wenig angebracht, die häufig rigide Disziplinierung
in der Fabrik mit einem patriarchalischen Anspruch auf Gehorsam gleichzusetzen.24
20 So sind gerade in den speziellen, werksspezifischen Arbeitsordnungen des Neunkircher Eisenwerks
detaillierte Anweisungen zu verschiedenen Arbeitsverrichtungen niedergeschrieben. Gleich zu Beginn
der Speziellen Arbeitsordnung für die Hochofenanlage des Neunkircher Eisenwerks von 1901 etwa wer¬
den Erzfahrer und Aufgeber genauestens instruiert: Erstere sollen ihre Wagen gleichmäßig entladen,
damit auch alle Erzsorten gleichmäßig verteilt sind. Dabei müssen sie den Kommandos der Aufgeber
folgen, welche genau über die jeweils abzuladende Menge zu bestimmen haben. Im weiteren Verlauf der
Schrift werden ähnliche, teilweise noch viel detailliertere Anweisungen an weitere Arbeiterkategorien
gegeben. Siehe Spezielle Arbeitsordnung für die Hochofenanlage des Neunkircher Eisenwerks 1901. In: StA
Nk, Best. Kleine Schriften NE, Karton z.
Règlement de service 1891, §7. Zitiert nach Conrardy 1991, S. 105.
:: Flohr, Bernd: Arbeiter nach Maß. Die Disziplinierung der Fabrikarbeiterschaft während der Indus¬
trialisierung im Spiegel der Arbeitsordnungen (Campus Forschung, Bd. zzi), Frankfurt a. M. 1981, S. 9.
Allgemeine Arbeitsordnung NE 189z.
24 Der Begriff des „Patriarchalismus“, der vor allem mit Blick auf das .System Stumm1 in Neunkirchen
immer wieder Verwendung findet, wird noch im Zusammenhang mit der betrieblichen Sozialpolitik zu
diskutieren sein. Mit dem Terminus verbinden sich, darauf sei hier schon hingewiesen, Vorstellungen ei¬
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