war, desto enger dürfte auch die jeweilige Immigrantengemeinde zusammen gerückt
sein, um sich in einer als fremd wahrgenommenen Umwelt zu behaupten. Niklas Luh¬
mann erklärt diesen Umstand mit dem Begriftspaar von „Exklusion“ und „Inklusion“: In
ausdifterenzierten modernen Gesellschaften werden demnach nicht einzelne Individu¬
en, sondern ganze Personengruppen als „Menschen anderer Art“ exkludiert, das heißt
von politischen oder gesellschaftlichen Partizipationsmöglichkeiten ferngehalten. 2(1
Umgekehrt aber greifen innerhalb der ausgeschlossenen Personengruppe Mechanismen
der Inklusion - Luhmann spricht von der „Einheit der Differenz von Inklusion und
Exklusion“ 21 -, die besonders von sich ausbildenden Netzwerken getragen werden: „Es
[das Netzwerk] organisiert auf höchst effektive Weise Unterstützung.“ 22 Im Fall der
Italiener in Düdelingen lässt sich dieser theoretische Gedankengang sehr plastisch an
der integrierenden wie unterstützenden Rolle der Vereine und des mutuo soccorso nach¬
vollziehen. Zugleich aber üben diese Netzwerke einen gewissen Anpassungsdruck aus,
entscheiden doch „für die Teilnahme am integrierenden Netzwerk Anpassungsfähigkeit
und Einsatzbereitschaft“. 23 Wollte ein italienischer Zuwanderer in der für ihn fremden
Umgebung nicht komplett isoliert sein, musste er versuchen, sich innerhalb seiner Com¬
munity anzupassen. Zuletzt weist Luhmann noch darauf hin, dass solchen netzwerk¬
artigen Strukturen eine „hohe Stabilität und Reproduktionsfähigkeit“ innewohnt.
Entsprechend hielt das Viertel in seiner Grundstruktur der Krise des Ersten Weltkriegs
stand. 24 Es ist mehr als wahrscheinlich, dass auch die Jugoslawen und Serben, die 1929
so zahlreich vertreten waren auf dem Werk, sowie andere Migranten- und besonders
Fernmigrantengruppen derartige Netzwerke ausbildeten, die allerdings nicht unbedingt
in ganz feste institutionelle Formen gegossen und längerfristig existent sein mussten.
In diesem Kapitel wurden (mögliche) Migrationsfolgeerscheinungen diskutiert:
Ausgehend von den Herkunftsgebieten und ihren strukturellen Eigenschaften wurde
gefragt und zu erläutern versucht, wie sich die soziokulturelle Provenienz auf Leben,
Arbeit, vorherrschende Mentalitäten und Gruppenstrukturen sowie Gruppenbildungs¬
prozesse in den beiden Industriegemeinden auswirkte. Die Neunkircher Hütte bezog
„Mutuo Soccorso“ dans d’autres communautés immigrées au Luxembourg?, in: CaldoGnetto, Ma¬
ria Luisa/GERA, Bianca (Hrsgg.): L’histoire c’est aussi nous. Actes des Journées internationales d’études
Dudelange (Luxembourg) 10 octobre 2007 et 11 octobre 2008, Turin 2009, S. 57-64; Reuter, An¬
toinette: Sous le signe du patriotisme. Les œuvres de secours françaises au Luxembourg (1880-1940),
in: Fondation Bassin Minier (Hrsg.): Solidarité entre étrangers. Solidarité avec les étrangers. Du
mutualisme associatif à l’éngagement politique et syndical (Mutations, Mémoires et Perspectives du
Bassin Minier 4/2012), Luxembourg 2012, S. 33-44.
2,1 Luhmann, Niclas: Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995,
S. 242.
21 Ebd., S. 249.
22 Ebd., S. 255.
723 Ebd., S. 257.
724 Ebd., S. 258.
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