Full text: Arbeiterexistenzen und Arbeiterbewegung in den Hüttenstädten Neunkirchen, Saar und Düdelingen, Luxemburg

sammenhang als soziale Gruppe suigeneris, auch in Abgrenzung zu anderen Arbeiter¬ 
kategorien wie den Bergleuten, profiliert werden. Mit Thomas Welskopp ist zu fragen, 
„inwieweit die Hüttenarbeiter sich ebenso wie andere Arbeitergruppen zu einem spe¬ 
zifischen Arbeitertypus entwickelten und inwieweit sich die prägenden Charakteristi¬ 
ka eines solchen Typus über die Zeit veränderten“.20 Bezogen auf die Organisations¬ 
geschichte stellt sich dabei die Frage, inwiefern sich jene „prägenden Charakteristika“ 
auf den Zusammenschluss der Hüttenarbeiter vor allem in Gewerkschaften, aber auch 
in Parteien auswirkten: Welche Charakteristika der Lebens- und Arbeitswelt der Hüt¬ 
tenarbeiter förderten den Anschluss an gewerkschaftlich-politische Organisationen, 
welche Charakteristika hemmten diese Entwicklung, wie veränderten sich diese Cha¬ 
rakteristika im Betrachtungszeitraum? 
Dabei gilt das Hauptaugenmerk den Organisationen der sozialdemokratisch-sozia¬ 
listischen Arbeiterbewegung, auch wenn alternative Wege zu gesellschaftlicher und po¬ 
litischer Teilhabe ebenfalls Berücksichtigung finden: Welche Entwicklung nahmen die 
lokalen Arbeiterorganisationen, das heißt vor allem die Freien Gewerkschaften und die 
sozialistischen Arbeiterparteien, im Betrachtungszeitraum und inwieweit partizipierten 
die Eisen- und Stahlarbeiter an dieser Entwicklung? Welche Faktoren blockierten eine 
funktionierende Organisationsbildung, welche Faktoren begünstigten diese? Da die 
Untersuchung einen recht langen und an krisenhaften Umbrüchen reichen Zeitraum 
absteckt, sollen nicht zuletzt Entwicklungen, Veränderungen der Rahmenbedingungen 
und Zäsuren aufgezeigt werden: Wie wirkten sich politische und gesellschaftliche Um¬ 
brüche auf die Entwicklung der Arbeiterorganisationen in Neunkirchen und Düdelin- 
gen aus ? Von besonderem Interesse ist dabei der Erste Weltkrieg, welcher der politischen 
Arbeiterbewegung europaweit einen enormen Schub verlieh, zugleich aber ihre Binnen¬ 
struktur nachhaltig transformierte.21 Der Einfluss des Weltkriegs auf die Lebens- und 
Arbeitsweise der Hüttenarbeiter und vor allem auf ihre Organisationsverhältnisse stellt 
einen wichtigen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie dar. 
Das Gruppenprofil der Hüttenarbeiterschaft und die Determinanten politischer und 
gesellschaftlicher Partizipation werden in einem breiten Spektrum mit mehreren Di¬ 
mensionen ausgelotet. Der Analyse der Arbeitssituation kommt dabei eine entscheidende 
Bedeutung zu. Denis Scuto schreibt mit Blick auf die luxemburgischen Hüttenbetriebe: 
„Le cadre du travail laisse des traces dans la mentalité de l'ouvrier!'22 Wie diese Spuren 
aussahen und welche Folgen sie besonders für die gewerkschaftliche Gruppenbildung 
erwirkten, ist eine entscheidende Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Mit Recht be¬ 
merkte Thomas Welskopp: „Die übermächtige Prägekraft des Betriebs dominierte [...] 
20 Welskopp 1994, S. 15. 
21 Vgl. Brandt, Peter: Der Erste Weltkrieg und die europäische Arbeiterbewegung, in: Geschichte in 
Wissenschaft und Unterricht 47 (1996), S. 115-137. 
22 Scuto, Denis: L’ouvrier d’usine au travail (1870-1914), in: 75 Joër fräi Gewerkschaften. Contri¬ 
butions à l’histoire du mouvement syndical luxembourgeois. Beiträge zur Geschichte der luxemburgi¬ 
schen Gewerkschaftsbewegung, Esch-sur-Alzette 1991, S. 45-79, hier S. 76. 
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