Am zuverlässigsten scheint die Einteilung der Zuwanderer nach ihren politisch-ad¬
ministrativen Herkunftsgebieten, denn im Gegensatz zur Einteilung nach Naturräumen,
die dann aber in einem zweiten Schritt ergänzend vorgenommen werden sollte, um auch
das soziokulturelle Profil der Zuwanderer besser beschreiben zu können, sind hier nur
wenig Interpretationsspielräume offen. Während des Kaiserreichs war die Saarregion in
drei landesherrschaftliche Teile zergliedert: die Saarkreise der preußischen Rheinpro¬
vinz, die westlichen Teile des bayerischen Rheinkreises und das zum Großherzogtum
Oldenburg gehörende Fürstentum Birkenfeldd56 Diese Gebiete lieferten das Gros der
zuwandernden Hüttenarbeiter. Die stärkste Gruppe stellten die aus dem westlichen Teil
der bayerischen Rheinpfalz stammenden Arbeiter. 988 Personen, das sind 47,3 Prozent
aller erfassten Einträge, wanderten aus der bayerischen Rheinpfalz nach Neunkirchen,
der Löwenanteil davon aus den westlichen Bezirksämtern. Dies deckt sich mit einer
Feststellung des Ottweiler Landrats von Schlechtendal in einem amtlichen Bericht aus
dem Jahre 1863, wonach Neunkirchen „nach der Bayerischen Pfalz hin starken Verkehr“
habe.45 Bei weitem am stärksten vertreten war das Bezirksamt Homburg mit seinen drei
Kantonen Homburg, Waldmohr und Landstuhl. Aus dem Kanton Homburg stammten
254, aus dem Kanton Landstuhl 249 und aus dem Kanton Waldmohr 169 Personen, zu¬
sammen aus dem Bezirksamt Homburg also 672 Personen, das sind 32,2 Prozent der Re¬
ferenzgruppe. Deutlich weniger, 103 Menschen (4,9 %), wanderten aus dem Bezirksamt
Zweibrücken zu, davon 71 (3,4 % der Gesamtmenge) aus dem Kanton Blieskastel.456 458
Aus den Kantonen Zweibrücken und Neuhornbach rekrutierten sich lediglich 24 bezie¬
hungsweise 8 Personen. Stark vertreten war weiterhin das Bezirksamt Kusel mit 99 Per¬
sonen (4,7 %). Immerhin noch 53 Arbeiter waren im Bezirksamt Kaiserslautern gebo¬
ren, 31 im Bezirksamt Neustadt, 17 im Bezirksamt Pirmasens, 6 im Bezirksamt Landau,
456 Zur politisch-administrativen Gliederung des Saarraums, zu dem auch die Westpfalz zu zählen ist,
vgl. Bellot 1954, S. 3. Beilot nimmt besonders die preußischen Kreise ins Visier. Zur politisch-admi¬
nistrativen Gesamtgliederung des Saarraums vgl. Behringer/Clemens 2009, S. 71 ff.; Klein 1981,
S. 94 f.
45 Schlechtendal, Eugen von: Versuch einer statistischen Darstellung des Kreises Ottweiler. Amt¬
licher Verwaltungs-Bericht für die Jahre 1859-61, Neunkirchen 1863, S. 53.
458 Die Angaben wurden auf der Basis einer Karte der bayerischen Rheinpfalz von Johann Thomas
Schubert aus dem Jahre 1837 erstellt, welche sich vor allem aufgrund der präzise eingezeichneten admi¬
nistrativen Grenzen hervorragend eignet. Allerdings gab es später noch einschneidende Änderungen:
St. Ingbert wurde 1868, nicht zuletzt aufgrund seiner gewachsenen demographischen und ökonomi¬
schen Bedeutung, Kantonsstadc und folglich aus dem Kanton Blieskastel herausgelöst. 1902 schlie߬
lich wurde das Bezirksamt St. Ingbert eingerichtet. In der hier erfolgenden Provenienzanalyse werden
die später zu St. Ingbert zählenden Ortschaften konsequent zum Bezirksamt Zweibrücken, Kanton
Blieskastel gerechnet, da dies der Kartengrundlage entspricht. Die Karte von Johann Thomas Schubert
findet sich unter http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/histkarten unter dem Schlagwort
„Rheinkreis“. Zuletzt eingesehen am 10.12.2012. Zur Zugehörigkeit von St. Ingbert vgl. 150 Jahre Stadt
St. Ingbert (1829-1979). Eine Festschrift aus Anlaß des 150. Geburtstags der Stadtwerdung St. Ingberts,
St. Ingbert 1979, S. 64 fi; außerdem Klein 1981, S. 94.
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