Mobilität der Einwohnerschaft: und untergliedert diese in verschiedene Herkunfts¬
gebiete und in die Kategorien der Nah- und Fernzuwanderer. Erst in den folgenden
Kapiteln wendet er sich dann der sozialen Mobilität und der Struktur der werdenden
Industriearbeiterschaft zu.38 Karl Ditts Arbeit über Bielefeld, eine Stadt mit Betrieben
der Textil-, Metall- und Wäscheindustrie, ist recht schematisch aufgebaut, der Gesamt¬
betrachtungszeitraum (1850-1914) wird in drei Phasen (inklusive einer vorindustriellen
Phase) untergliedert. In jedem Teil der Arbeit findet sich ein Abschnitt über „Bevöl¬
kerungsentwicklung und Zuwanderung im Raum Bielefeld“, und zwar noch vor der
konkreten Analyse von Arbeits-, Lebens- und Organisationssituation der Industriear¬
beiterschaft.* 388 Crews wie Ditts Studie, die hier nur als einschlägige Beispiele vorgestellt
werden, dürfen als repräsentativ für die Untersuchungen einzelner Industriestädte und
deren Arbeiterschaften im Zeitalter der Industrialisierung gelten: Die regionale Pro¬
venienz der Industriearbeiterpopulation bildet im Rahmen solcher stadtgeschichtli¬
chen Untersuchungen gewissermaßen einen Aspekt der Kontextualisierung, das heißt
der Arrondierung des historischen Terrains. Noch ein weiteres Beispiel aus der sehr
umfangreichen Forschungsliteratur sei erwähnt. Im Jahr 1979 legten Werner Conze
und Ulrich Engelhardt einen stark rezipierten Sammelband über „Arbeiter im Indus¬
trialisierungsprozeß“ vor. Im Untertitel werden „Herkunft“, „Lage“ und „Verhalten“
als Untersuchungsgegenstände angegeben, und dementsprechend ist der Sammelband
aufgebaut.389 Im ersten Teil geht es um die „regionale und soziale Herkunft“, erst später
um Themen wie „Lebensstandard“, die „Situation am Arbeitsplatz“ oder das „soziale
Verhalten“. Die Struktur entspricht also den Stadtmonographien: Am Anfang wird die
regionale Herkunft und Zusammensetzung der Arbeiterschaft diskutiert. Von den im
ersten Teil integrierten Aufsätzen sind besonders die Beiträge von Peter Borscheid'9"
und Dieter Langewiesche391 interessant, welche den Zusammenhang von Binnenmi¬
gration und Genese der Industriearbeiterschaft betonen.
Die vorliegende Studie reiht sich in genau diesen Forschungskontext ein und fragt, be¬
vor es um die verschiedenen Aspekte der Arbeiterexistenz und der Arbeiterbewegung geht,
nach der regionalen wie soziokulturellen Provenienz beider zu untersuchender Hüttenar¬
beiterbevölkerungen. Im Sinne eines integrativen Ansatzes darf eine Provenienzanalyse al¬
38 Crew, David: Bochum. Sozialgeschichte einer Industriestadt 1860-1914, Frankfurt 1980.
388 Ditt, Karl: Industrialisierung, Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung in Bielefeld 1830-1914 (Un¬
tersuchungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte, Bd. 4), Dortmund 1981.
389 Conze/Engelhardt (Hrsgg.) 1979.
■90 Borscheid, Peter: Schranken sozialer Mobilität und Binnenwanderung im 19.Jahrhundert, in:
Conze, Werner/ENGELHARDT, Ulrich (Hrsgg.): Arbeiter im Industrialisierungsprozeß. Herkunft,
Lage und Verhalten (Industrielle Welt, Bd. 28), Stuttgart 1979, S. 31-50.
391 Langewiesche, Dieter: Mobilität in deutschen Mittel- und Großstädten. Aspekte der Binnen¬
wanderung im 19. und 20.Jahrhundert, in: Conze, Werner/ENGELHARDT, Ulrich (Hrsgg.): Arbeiter
im Industrialisierungsprozeß. Herkunft, Lage und Verhalten (Industrielle Welt, Bd. 28), Stuttgart 1979,
S. 70-93.
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