schweigt die Quelle darüber, wie viele Hüttenbeschäftigte in diesem Jahr in Düdelin-
gen wohnten und auch darüber, wie viele Familien dem Vater nach Düdelingen folgten.
Zwei fahre später aber, 1909, lebten 92,5 Prozent, also 0,8 Prozent mehr als 1913, vor Ort.
Als vorsichtiger und abgerundeter Schätzwert für diese Variable scheinen 91 Prozent für
1907 angebracht zu sein. Jedenfalls dürfte dieser Wert 1907 nicht entscheidend niedriger
gewesen sein als 1909, hat sich die Verkehrsanbindung im Laufe der Zeit doch eher ver¬
bessert, was das tägliche Pendeln öfter ermöglichte.316 * Wenn schätzungsweise 92 Prozent
der Hüttenbeschäftigten in Düdelingen wohnten, dann wären dies 2.233 Personen. 1907
waren relativ gesehen allerdings weniger Werksbeschäftigte, nämlich 43,28 Prozent, ver¬
heiratet, die durchschnittliche Kinderzahl lag bei 2,7. Demnach waren 1.050 Hütten¬
beschäftigte verheiratet, die Kinderzahl aller Hüttenleute zusammen betrug 2.835. DD
wohnten 79,2 Prozent aller Hüttenarbeiterfamilien in Düdelingen. Als vorsichtiger und
abgerundeter Schätzwert für das Jahr 1907 wurde 70 Prozent ausgewählt. Dies hieße:
Mindestens 735 Arbeiterfrauen lebten bei ihren Männern vor Ort und die Kinderzahl
würde insgesamt etwa 1.984 betragen. Die gesamte Hüttenarbeiterpopulation in Düde¬
lingen betrug dann 1907 schätzungsweise 3.769 Menschen, wobei dies als Minimalwert
einzuschätzen ist. Düdelingen zählte 1907 etwa 10.600 Einwohner, nachdem es 1906
10.425 waren und 1908 10.889. Alles in allem ernährte die Hütte also mindestens (!)
36 Prozent der Bevölkerung Düdelingens im Jahre 1907.31 Der tatsächliche Anteil lag
wahrscheinlich um einige Prozentpunkte höher.
Gerade die Zahlen für das Jahr 1907 sind zum Teil etwas spekulativ, da die Quelle
einige zentrale Daten nicht liefert. Dennoch geht aus allen Werten, für 1913 und 1907,
klar hervor, wie stark die Hüttenarbeiterschaft die Sozialstruktur Düdelingens domi¬
nierte und welch städtebildende Kraft von der Hütte ausging. Dieser Eindruck bestätigt
sich, wenn man sich vor Augen führt, dass der Eisen- und Stahlbetrieb seinen gewaltigen
wirtschaftlichen, sozialen und demographischen Einfluss in nur knapp drei Jahrzehnten
aufbaute und untermauerte. „L’usine devient en peu de temps la réalité de la commune“,
schreibt der Stadthistoriker Marc Thiel im Hundertjahrbuch der Stadt.31s Die direkten
Einwirkungen der Hütte wurden noch verstärkt durch die beträchtlichen Vorwärtskop¬
pelungseffekte auf Gewerbe und Infrastruktur, die von ihr ausgingen.
Die Ansiedlung von Industrieanlagen und Bevölkerung stellte das ehemalige Bau¬
erndorf vor gewaltige Aufgaben. So musste im Gefolge der wirtschaftlichen Entwick¬
lung die Infrastruktur sukzessive ausgebaut werden. Die noch nach vorindustriellen
316 Zur Verbesserung der Eisenbahnanbindung vgl. Conrardy/Krantz 1991, S. 288 f. 1896 wur¬
de ein zusätzlicher Bahnhof für Güter- und Personentransport in unmittelbarer Nachbarschaft zum
Werksgelände eröffnet, die tägliche Anreise für außerhalb wohnende Arbeiter damit prinzipiell ermög¬
licht. Vgl. ebd., S. 189.
317 AnLux, ADU-U1-93.
’Ih Thiel, Marc: La naissance d’une ville industrielle, in: Ville de Dudelange (Hrsg.): Centenaire
Diddeleng 1907-1007, Düdelingen 1007, S. 6-17, hier S. 8.
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